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Aus : "Als die Festungswälle geschleift wurden: Westend, Nordend, Ostend" von Wolfgang Pülm, 2003

"DIE WAHRE GRÖSSE DES NORDENDS "

Die Bezeichnung "Nordend" wurde seit 1850 üblich. Wer sie diesem Stadtgebiet gegeben hat, ist unbekannt. Welchen anderen Namen hätte man auch wählen sollen? Zwar hatten sich schon in fränkischer Zeit Siedler hier niedergelassen, aber ein Anführer, der namengebend hätte sein können, ist nicht bekannt. Ginnheim zum Beispiel konnte sich nach dem fränkischen Siedler Ginno nennen, und der Ortsname Rödelheim ist abgeleitet von Radilenheim, Heim des Radilo.
Auch Flurnamen hätten zur Namensfindung nichts beitragen können. Das größte Flurstück hieß Friedberger Feld und das kleinste Nord Zipfel. Andere Flurstücke wie Knoblauchsfeld und Zeisel etwa boten sich gerade nicht als Namensgeber an. Tatsache ist: mit der Linie Bertramswiese-Hauptfriedhof-Dortelweilerstraße ist um 1850 das "Nordende" der Stadt erreicht, denn Eckenheim und Preungesheim waren damals kurhessisches Gebiet.
"Sind die Nordend-Grenzen den Bürgern eigentlich bekannt?" wollte 1996 ein Interviewer der Frankfurter Neuen Presse wissen. Die Antwort des damaligen Ortsvorstehers lautete: "Die Burgstraße wird fälschlicherweise von vielen als Bornheim bezeichnet, sogar die Untere Berger Straße." Dann meinte der Fragensteller: "Wir Bernemer',' das hört man oft - "wir Nordendler" kaum. Dazu äußerte sich Werner Schäfer so: "Nordendler - die gibt's nur einmal, nämlich als Karnevalverein. Das Nordend ist anders als Bornheim." Der derzeitige Ortsvorsteher, Jörg Harraschin, hatte einmal im Ortsbeirat einen Antrag gestellt mit der Überschrift "Die wahre Größe des Nordends erkennen"; fünf Ortsschilder sollten rings um die Bezirksgrenzen aufgestellt werden. Der Antrag wurde nicht umgesetzt. Auf einem Plan des Stadtvermessungsamtes ist der genaue Verlauf der Grenzen eingezeichnet. Begrenzt wird der Stadtteil durch den Anlagenring im Süden, die Eschersheimer Landstraße im Westen, im Norden durch die Linie Humserstraße, Bertramswiese, Kühhornhofsweg. Nach einem kurzen Stück Eckenheinner Landstraße läuft die Stadtteilgrenze dann quer über den Hauptfriedhof, um über Wetzlarer Straße, Homburger Landstraße, Dortelweilerstraße, Comeniusstraße, Burgstraße, Höhenstraße und Sandweg wieder den Alleenring zu erreichen.

ZWISCHEN FESTUNGSWÄLLEN UND LANDWEHR

Was befand sich in diesem Gebiet bis in das 19. Jahrhundert hinein? Zunächst, dicht an die Bastionen angelehnt, ein "Gartenfeld". Ein Nachweis dafür ist bei zwei Frankfurtern zu finden, bei J. W. v. Goethe und bei Friedrich Stoltze. In "Dichtung und Wahrheit" erinnert sich Goethe: "Da seine Wohnung (Anm.: gemeint ist die desWachstuchfabrikanten Nothnagel) nahe am Eschenheimer Tor lag, so führte mich, wenn ich ihn besucht hatte, mein Weg gewöhnlich zur Stadt hinaus und zu den Grundstücken, welche mein Vater vor den Toren besaß. Das eine war ein großer Baumgarten, dessen Boden als Wiese benutzt wurde und worin mein Vater das Nachpflanzen der Bäume und was sonst zur Erhaltung diente, sorgfältig beobachtete, obgleich das Grundstück verpachtet war. Noch mehr Beschäftigung gab ihm ein sehr gut erhaltener Weinberg vor dem Friedberger Tore, woselbst zwischen den Reihen der Weinstöcke Spargelreihen mit großer Sorgfalt gepflanzt und gewartet wurden. Es verging in der guten Jahreszeit fast keinTag, daß nicht meinVater sich hinaus begab, da wir ihn denn meistens begleiten durften und so von den ersten Erzeugnissen des Frühlings bis zu den letzten des Herbstes Genuß und Freude hatten. Wir lernten nun auch mit den Gartengeschäften umgehen, die, weil sie sich jährlich wiederholten, uns endlich ganz bekannt und geläufig wurden!" (Erster Teil, 4. Buch)
Friedrich Stoltze schrieb: "Vor'm Eschemer Tor drauß', zu beide' Seite' von der jetzige' Eschemer Landstraß' war Wingert an Wingert. Ewe' so am Grüneburgweg. Der ganze Bezirk dort war nix als Wingert un' Gemiesland. Korzum, Altfrankfort lag noch vor fünfzig Jahr'n buchstäblich in Wein un' Gemies"
Bis zur Landwehr, also noch auf Frankfurter Territorium, erstreckten sich Äcker, Wiesen, Felder. Sie sind auf der "Situations Karte, aufgenommen und gezeichnet durch Haaß Artillerie Lieutenannt zu Darmstadt 1801 " angedeutet. Außerdem sind auf der Karte die Angaben Adlerflichtscher Hof, Stalburgischer Hof, Holzhausentscher Hof und Bertramshof zu lesen. Es sind Gutshöfe, die Frankfurter Patriziern gehörten. Die Karte lässt allerdings nicht erkennen, dass diese Landgüter, die weit draußen vor der schützenden Stadtbefestigung lagen, bei der Belagerung Frankfurts im Jahr 1552 in Flammen aufgingen und danach wieder aufgebaut worden waren.

Die Holzhausen-Oed. Das Holzhausenschlösschen

Zur Holzhausenöd führte auch schon im Mittelalter der Oeder Weg. Der Name Oed ist nach Ansicht von Franz Lerner abzuleiten von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, nämlich einsam, verlassen. Als Einödhof bezeichnet man heute noch einen einsam gelegenen Hof. Und die Holzhausen-Oed lag abseits der Straßen wie auch die Stalburger oder die Glauburger Oed. Eine andere Erklärung gibt Wolfgang Klötzer.
Ihm erscheint die Herkunft von dem altdeutschen Wort "Odal" wahrscheinlicher. "Odal" meint das altgermanische Eigentum im Gegensatz zum verliehenen Gut (Feodol, feudal). Als Begründung führt Klötzer an: "Öde und leer war zu keiner Zeit kein Winkel der Frankfurter Gemarkung. Alle Parzellen des vorzüglichen Ackerbodens waren kultiviert und in landwirtschaftlicher Nutzung"
Die Holzhausen-Oed war im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts an die Familie Holzhausen gekommen. Der Name ist abgeleitet von Burgholzhausen bei Friedberg, wo die Familie herstammt. Die Oed war eine mittelalterliche Turmburg, von einem Wassergraben umgeben, über den ein leicht abzubrechender Steg führte. Falls ein Überfall drohte, wurde dieser unbrauchbar gemacht. Heute erinnert an diesen Schutz der Weiher, in dem das Holzhausenschlösschen liegt, und dessen Eingang nur über eine schmale Brücke zu erreichen ist. Die Wirtschaftsgebäude des Landgutes befanden sich dort, wo heute noch eine Kastanienallee zum Oeder Weg führt.
Justinian v. Holzhausen - im"Städel" hängt das Doppelbildnis des Justinian v. Holzhausen und der Anna v. Holzhausen, geb. Fürstenberg, gemalt 1536 - hat den mittelalterlichen Wohnturm aufstocken und zum Sommersitz der Familie wohnlich einrichten lassen. 1552 ging die Oed bei der Belagerung Frankfurts in Flammen auf. Auch 1634/36 im Dreißigjährigen Krieg erlitt die Holzhausen-Oed starke Schäden.
Der Wohnturm wurde nach den Verwüstungen wieder aufgebaut, aber er genügte doch nicht mehr den Ansprüchen des 18. Jahrhunderts. Daher ließ Johann Hieronymus v. Holzhausen (1674-1736) das Gebäude bis auf die Grundmauern abtragen und von dem landgräflichen hessischen Hofbaumeister Louis Remy de la Fosse Pläne für einen Neubau entwerfen. Das Holzhausenschlösschen wurde, so wie es sich heute den Besuchern präsentiert, in den Jahren 1727 bis 1729 errichtet. Aus dieser Zeit stammt auch das prächtigeTor, das heute funktionslos am Ende der Kastanienallee am Oeder Weg steht.
Nicht immer hat die Familie Holzhausen ihre schöne Sommerresidenz selbst genutzt. Ständiger Wohnsitz der Familie wurde das Holzhausenschlösschen erst im 19. Jahrhundert. Der letzte Bewohner des Schlosses war Adolf Freiherr v. Holzhausen (1866-1923). Da mit ihm die ältere Frankfurter Linie der Holzhausen erlosch, stiftete er 1910 sein Vermögen und das Holzhausenschlösschen der Stadt Frankfurt am Main. Außerdem den ungefähr drei Hektar großen Park um das Schlösschen herum, der 1912 als Holzhausenpark eröffnet wurde.

Die Stadt gab 1944 der Außenstelle Frankfurt des Reichsarchivs im Schlösschen eine Bleibe. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten es die Amerikaner bis 1952 mit Beschlag belegt. Anschließend fand dort das Museum für Vor- und Frühgeschichte eine Unterkunft. Als dieses sein neues Domizil in der Karmeliterkirche erhielt, konnte die 1989 gegründete Frankfurter Bürgerstiftung in das Schlösschen einziehen. Diese hat das Innere renoviert, das historische Äußere aber nicht verändert.

Die Stalburger Oed

Die Stalburger Oed war ein zwischen der Holzhausensche Oede und der Landstraße nach Eckenheim gelegener Hof. Wie die Holzhausen Oed stand der ältere Bau in einem Weiher und war nur über eine Zugbrücke zugänglich. Auf einem Wappenstein über der Haustür stand: Als im Jahre 1552 am 17 März einige Fürsten die benachbarte Stadt mit schwerer Belagerung bedrängten, wurde mein väterliches Haus verbrannt und durch mich, Kraft Stalburg, in Erinnerung dessen von neuem wieder erbaut." Nach dem Aussterben der Stalburgs erwarb in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts die Familie v. Rothschild Haus und Garten. Der Wassergraben wurde zugeworfen, die Brücke entfernt und das Haus wohnlich eingerichtet.
Carl Theodor Reiffenstein, der Frankfurter Maler, war bereits in seiner Jugend von dem Anwesen angezogen worden. "Schon als Knabe reizte das Stalburgische Haus in seiner Abgelegenheit stets meine Neugierde, so oft ich in dessen Nähe kam. Die lange finstere Allee, welche dahin führt, und die eigentliche Seufzerallee, nebst den hohen, beinahe undurchdringlichen Hecken, die das ganze Besitztum umgaben, trug noch außerordentlich viel mehr dazu bei, den Eindruck des Einsamen und Verborgenen zu vermehren, wozu sich noch der Umstand gesellte, daß es lange Zeit unbewohnt stand und die kleine Eingangstür am Anfang der Allee beständig verschlossen war."
Am 26. September 1873 notiert er: "Nachdem vor ungefähr 9 oder 10 Wochen das Besitzthum an die Internationale Bank dahier übergegangen ist, wurde es in die bereits vor längerer Zeit projektierten Straßenlinien gezogen und droht ihm somit gänzlicher Untergang und Zerstörung. Bereits seit 4Wochen hat man angefangen, den größten Theil der schönen, stillen und schattigen Seufzer-Allee umzuhauen." Und am 28. April 1879 hält er fest: "Das Haus ist in eine Bierwirthschaft umgewandelt, welche den Namen "Zur Stalburg" führt. Die Manen (Anm.: die guten Geister derToten) der Familie Stalburg müssen sich das schon gefallen lassen."
Heute finden in der Glauburgstraße 80 erfolgreiche Aufführungen des "StalburgTheaters" statt, einer Kleinkunstbühne, die von Michael Herl geleitet wird. Kabarett, Theater, Jazz und klassische Musik stehen auf dem Programm.

Der Adlerflychthof

Der Aderflychthof hat seinen Namen von der aus Schweden stammenden Patrizierfamilie Adlerflycht, die sich auf einem ehemaligen Acker- und Wirtschaftshof 1763 einen Sommersitz hat bauen lassen. Für den Eigenbedarf hielten sich die Adlerflychts 24 Kühe und etliche Ochsen und Schweine. Das Grundstück dürfte etwa vom Oberweg bis zum Adlerflychtplatz gereicht haben.
Der Adierflychthof ist der einzige Gutshof vor den Festungswällen, der literarische Bedeutung erlangt hat. Er war von dem Bankier J. Fr. Gontard für seine Familie als Sommeraufenthalt gemietet worden. Seine Frau und seine Kinder blieben die ganze Zeit dort, der Ehemann und Vater kam nur am Wochenende aus der Stadt zum Sommersitz. Im Stadthaus "Weißer Hirsch" im Großen Hirschgraben, ungefähr dort, wo heute der Frankfurter Hof steht, war Friedrich Hölderlin von 1796 bis 1798 Hauslehren Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Bankier, weil dieser eine zu große Vertrautheit zwischen seiner Ehefrau Susette und Hölderlin festzustellen glaubte. Hölderlin musste seine Stelle aufgeben und siedelte, um in Susettes Nähe zu bleiben, nach Bad Homburg über, wo ihm sein Freund Isaac Sinclair eine Anstellung als Bibliothekar beim Landgrafen verschaffte. Eineinhalb Jahre wanderte Hölderlin einmal wöchentlich von Bad Homburg zum Adlerflychthof, um mit seiner von ihm geliebten Susette - in seine Gedichten nennt er sie "Diotima" - in einer Hecke vor dem.Hof Briefe zu tauschen. So die romanhafte Ausschmückung. Susette starb 1802 wohl an Tuberkulose. Eine Porträtbüste von ihr besitzt das Liebighaus, Museum Alter Plastik, geschaffen von dem Bildhauer Landolin Ohnmacht (1760-1834).
Für das Anwesen Adlerflychthof kam das Ende 1866. Im Bockenheimer Anzeiger, No. 16, erschien am Dienstag, dem 6. Februar 1866, folgende Anzeige: "Beim Abbruch des Adlerflychthofes sind zu verkaufen: Ziegeln, Latten, Dielen, Fenster, Flügelthüren, Platten, Lagerholz, zwei Bleipumpen mit doppeltem Druckwerk, Porzellan und eiserne Öfen, 2 Herde, wovon der eine für einen Oeconomen, der andere für ein hohe Herrschaft oder einen Hotelbesitzer sich eignet (Alles fast neu)."

Knoblauchshof, Kühhornshof, Bertramshof

Den Namen Bertramshof führte das Gut erst seit dem Jahr 1660, als es Heinrich von Bertram erwarb. Vorher wurde es Knoblauchshof oder Kühhornshof genannt. Das Grabmal des Bernhard v. Kühhorn, der den Hof um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwirbt, ist noch heute in der Kreuzkirche in Preungesheim zu sehen- zu dessen Kirchsprengel gehörte einst das Gut. Das größte Wappenbild auf dem Grabstein ist ein sprechendes oder redendes Wappen, da es ein Kuhhorn (Kühhorn) zeigt sowie drei Sterne. Im April 1861 formuliert der Zeichner und Liebhaber der Stadt Carl Theodor Reiffenstein: "Obgleich im Laufe der Jahrhunderte seines Bestehens vielfach Umgestaltungen über ihn (den Hof) dahingegangen sind, so hat er sich doch sein Altertümliches Gepräge bis auf die Gegenwart so ziemlich zu erhalten gewußt. Nun aber droht ihm allmählich der Untergang!" Der "Untergang" trat bald ein. Der Hof wurde 1868 abgebrochen.
Nur der rechteckige Verteidigungsturm blieb erhalten und steht heute noch auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks. Etwa 200 Meter östlich des ehemaligen Kühhornhofs ließ 1888 Freifrau Luise von Rothschild eine Meierei bauen, die nach dem Besitzer im 17 Jahrhundert den Namen Bertramshof erhielt. "Der aus Eckenheinner Feldbrandziegeln erbaute und unter Denkmalschutz stehende Bertramshof ist als Ganzes mit Verwalterhaus, Wasserturm, Stallungen, Scheunen und Obstgarten ein repräsentativer Gründerzeit-Gutshof und der einzig erhaltene in Frankfurt ' " (Hans-Otto Schembs). Heute hat der Hessische Rundfunk, der die Gebäude vorbildlich restauriert hat, im Bertramshof Studios eingerichtet.

Das Nordend wird Wohngebiet

In einer Stellungnahme der Polizeifelddeputation aus dem Jahre 1857 heißt es von dem Gebiet nördlich der ehemaligen Festungswälle, dass es "für eine künftige Vorstadt gelten kann!" Und deren Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten. Sie hätte noch schneller vorangehen können, wenn nicht zwei Umstände sich hinderlich bemerkbar gemacht hätten: Die Stadt überließ bei der Schaffung von Wohnraum im wahrsten Sinne des Wortes das Feld privaten Investoren. Zum anderen fehlte es an einem klaren Entwicklungsplan. Vor der Jahrhundertwende gab es noch keine Aufstellung von Bebauungsplänen, auch in anderen Städten, wie zum Beispiel Berlin, nicht. Ab 1851 erschienen nun für die innenstadtnahen Erweiterungsgebiete Baugesetze und Fluchtlinienpläne, die das wilde Bauen in geordnete Bahnen lenkten. Mit Hilfe von Alignementplänen (Richtlinien gebende Pläne), die ein einfaches rechtwinkliges Straßensystern zwischen den Landstraßen (der Eschersheimer-, Eckenheimer- und Friedberger Landstraße) festlegten, wurde der Nordend genannte Bereich erschlossen.
"Die Bebauung war bis 1875 mit einzelnen Häusern nur entlang der Ausfallstraßen vorgedrungen. Im großen und ganzen verhielt die von Süden vorstoßende Bebauung um den Friedberger Platz. Im folgenden Jahrzehnt wurden zunächst die meist städtischen Liegenschaften, doch nur bis zur Nordendstraße, erschlossen und bebaut, bis hin zur Milchkuranstalt am heutigen Nibelungenplatz. (Näheres dazu im Abschnitt "Zwei Problemfälle"). Nachdem 1893 die Planung für den Alleenring wie auch für die neue Günthersburgallee abgeschlossen war, begann der Ausbau des östlichen Nordends 1894 zunächst um die Vogelsberger Straße, 1899 folgten Egenolff-, Rohrbach- und der Anfang der Martin-Luther-Straße. Aus Gründen größerer Feuersicherheit solch ausgedehnter Wohngebiete war bereits am 17 November 1894 die große Feuerwache Nordost in der Burgstraße besetzt worden (heute die Feuerwache 2).
Die aufkommenden städtischen Verkehrsmittel bekräftigten den Wandel: 1902 schon fuhren Pferdebahnen durch die Eckenheimer Landstraße bis zum Friedhof und durch die Kosel- und Bornheimer Landstraße in die Berger Straße nach Bornheim. 1904 kam die Straßenbahnlinie durch Glauburg- und Rohrbachstraße in Richtung Prüfling hinzu, 1906 eine Linie durch die Friedberger Landstraße bis zum alten Israelitischen Friedhof. Im wesentlichen war die Bebauung des Nordends noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges abgeschlossen mit dem Wohngebiet nordwestlich des Nibeungenplatzes." Das Holzhausenviertel wurde erst ab 1910 bebaut. Der Grund: Das Gelände war seit Jahrhunderten in Familienbesitz und dieser musste nicht angetastet werden. Wie groß der Komplex war, macht ein Bild von Hans Thoma, 1883 gemalt, deutlich; es hängt im "Städel". Es zeigt den Blick, den der Künstler aus einem Fenster des Hauses Lersnerstraße 23 hatte: bis zum Holzhausenschlösschen geht er über noch völlig unbebautes Gelände. Die genaue Begrenzung des Grundstückskomplexes wird in § 2 der Satzungen der "Terrain-Aktiengesellschaft Holzhausenpark" beschrieben. Das Projekt umfasste 16 ha. Adolf Freiherr v. Holzhausen hatte das wertvolle Bauland der Terraingesellschaft übergeben, die es parzellierte und verkaufte. Der Gewinn kam der Freiherr-Adolf-von Holzhausen-Stiftung zugute, die ihn für wissenschaftliche Einrichtungen verwenden konnte (§ 3 des Stiftungsvertrages) oder zum Beispiel für den Neubau der Stadtbibliothek (§ 6). Im Jahre 1922 waren die letzten Parzellen verkauft worden. Doch die Inflation, die im Jahr darauf ihren Höhepunkt erreichte, hatte das Stiftungsvermögen stark schrumpfen lassen.
Damit im Holzhausenviertel und in weiten Teilen des Nordends die städtebauliche Eigenart erhalten wird, hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt am Main am 26.10.2000 die Erhaltungssatzung Nr. 39 - Nordend 1 - als Satzung beschlossen. Veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 48 am 28.11.2000. Mit 54 010 Einwohnern (nach dem Stand vom 31.12.2001) ist das Nordend Frankfurts größtes Wohngelbiet. Industriebetriebe konnten sich dort keinen Platz erobern. Das einzige große Unternehmen, der Pharmahersteller Merz, belästigt nicht durch seine Produktion. Was schätzen diejenigen, die im Nordend eine Wohnung gefunden haben, vor allem? Schmuckvoll gestaltete Altbaufassaden? Kunstvoll geformte Balkongeländer aus Schmiedeeisen sind für viele ein erfreulicher Anblick. Und die Idylle in dem einen oder anderen Hof tröstet über zuviel Sachlichkeit hinweg. Leider wurde oft aus einem idyllischen Hinterhof ein Parkplatz. Vielleicht ist es auch das große Angebot von Lokalen mit einer jeweils eigenen Atmosphäre, das anziehend wirkt. Trotz der großen Supermärkte gibt es auch noch kleine Lädchen, in denen zum Beispiel eine große Auswahl von Weinen und Käse zu haben ist. Bunt ist der "Kulturkalender" in diesem Stadtteil. Im Kino"Mal Seh'n" finden Filmfreunde immer ein besonderes Angebot von Zelluloidstreifen. Eine Kleinkunstbühne, das Stalburg-Theater, bringt Kabarett, Theater, Jazz und auch klassische Musik. Im Philanthropin in der Hebelstraße führt das Freie Schauspiel-Ensemble regelmäßig Stücke auf. Und sogar über ein Museum, dessen Besuch sich lohnt, verfügt das Nordend: das "Explora. Museum-Wissenschaft-Technik" am Glauburgplatz 1. Die Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen hat in ihrem Programm Musik, Vorträge, Lesungen, Märchen und Ausstellungen.

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