Falls Sie links kein Menue sehen, geht es hier zur Startseite von FRANKFURT-NORDEND.DE

Aus: "Frankfurt, ehemals, gestern und heute – Eine Stadt im Wandel" von Wolfgang Klötzer, 1985

Große Eschenheimer Straße, Eschenheimer Turm von Süden

Was wir Seite 95 behauptet haben, daß die Große Eschenheimer keine "verkehrsgerechte" Straße war, beweist sich hier in der Teleaufnahme vom Katharinenturm. Wie eine letzte Bastion der östlichen Häuserzeile, in der das Portal des Thurn- und Taxis-Palais früher weniger zur Geltung kam als heute, wirkt das um 1900 bekuppelte Eck des "Bürgervereins", Große Eschenheimer Straße 74, das der berühmte klassizistische Architekt Nicolas Alexandre Salins de Montfort 1803-06 für den Bankier Mülhens errichtete. 1848 wohnte darin der Reichsverweser Erzherzog Johann, nur wenige Schritte von seinem Dienstgebäude entfernt. Auch dieses architektonische Kleinod, von dem ein Schnitt durch die möblierten Zimmer der Bauzeit bekannt ist, hat den Krieg nicht überstanden. 1943/44 trafen es mehrfach die Bomben. Die Straßenfront ist hier weit zum Rundschauhaus (1955) zurückgenommen, um Stauraum für den stadtauswärts fließenden Verkehr zu gewinnen. Auch sonst wurde die Große Eschenheimer stark zerstört. Man muß schon mit den Augen suchen, um noch bauliche Zeugen der Vorkriegszeit zu finden, etwa den Erker vor dem Eschenheimer Turm, der mit dessen Spitzen korrespondiert. Hier blieben die letzten Häuser der westlichen Zeile erhalten. Dagegen ist das Verlagshaus der Frankfurter Zeitung, die bis die "Gleichschaltung" überstehen konnte, im Krieg so stark beschädigt worden, daß die Reste 1946 mit Hilfe amerikanischer Räumkommandos abgetragen wurden.

Wie durch ein Wunder war der Eschenheimer Turm, 1426-28 vollendet von Dombaumeister Madern Gerthener, diese Solitär-Perle in der Kette der Frankfurter Neustadtbefestigung, durch den Krieg gekommen, nachdem er allen früheren Versuchen, ihn dem Verkehr zu opfern, getrotzt hatte. In der ersten Welle der Festungsdemolierung nach 1806 mußte sogar der französische Gesandte für ihn bitten. Leider steht er heute unerreichbar, vom Verkehr umbrandet. Aber vielleicht könnte er aus der darunter liegenden U-Bahn-Station zugänglich werden?

Eschenheimer Turm von Norden

Ob vom Oeder Weg oder von der Eschersheimer Landstraße , wer in die befestigte Stadt wollte, mußte durch das Eschenheimer Tor, dem im Mittelalter noch ein Hornwerk vorgelagert war. Erst Fürst Dalberg gab dem bis zum Knauf 50 Meter hohen Turm wieder ein Vortor und diesem mit Inschrift seinen Namen "Carlsthor XDCCCVII". 1864 wurde es wieder beseitigt - als Verkehrshindernis. 1888 startete von hier, noch von Pferden gezogen, die "Lokalbahn" nach Eschersheim, die nach der noch im gleichen Jahr erfolgten Umstellung auf Dampfzug von den Frankfurtern fast liebevoll "Knochemiehl" genannt wurde. 1914 mußte die erst 1867 errichtete Senckenbergische Bibliothek weichen, um dem Vergnügungslokal Groß-Frankfurt (1916) Platz zu machen. Immer aber blieb der Turm, flankiert von reichlich Grün, das heute mit dem Asphalt kämpft, städtebauliche Dominante. Das Bayerhaus (1952) hier zuzulassen, war ein Fehlentscheid, und auch für Werner Goepferts Wassermühlen (1969), im Verkehrsstrudel unbeachtet, gab es keinen schlechteren Platz.

Volksbildungsheim von Süden

Es ist ein Kreuz mit den Frankfurter Kriegsruinen und ihrer Wiederverwendung! Standen die Fassaden noch, waren doch die Dächer dahin, und die spartanischen Nachkriegsverhältnisse gestatteten keine aufwendigen Restaurierungen. Man behalf sich mit Flachdächern, setzte allenfalls ein einfaches Walmdach auf (Hauptwache, Bethmannbank) oder kaschierte mit einem modernen Obergeschoß (Deutsche Bank, Rathaus-Nordbau). Dabei verschwand oft, was noch erhaltenswert gewesen wäre. Unmut darüber zu empfinden, verhinderte die Vergeßlichkeit. Aber Fotos sind Beweisdokumente, und niemand sage heute, es käme bei dem hier gezeigten Gebäude auf die Attika, die Eckvasen mit ihren Putten und die Giebelfelder nicht an. VOLKSBILDUNGSHEIM steht heute in vergoldeten Lettern auf dem Gesims, hinter dem das nur flach ansteigende Behelfsdach bei näherem Standort völlig verschwindet. Erbaut vorn Kaufmännischen Verein (1908, Architekt Helfrich), diente es mit seinem 1400 Personen fassenden Großen Saal (und einem kleineren für 300) zunächst dem Kongreß- und Gesellschaftsleben der Frankfurter Geschäftswelt, auf die sich die Allegorien des Stirngiebels bezogen. Seit 1910 wird hier auch Theater gespielt, zunächst vom Rhein-Mainischen Verbandstheater, seit 1963 durch das "Theater am Turm" (TAT), das nach dem Experiment eines Jugendtheaters künftig wohl als Gastspielbühne weiterleben wird. Schon im ersten Weltkrieg, in dem das Gebäude als Lazarett diente, kam der Kaufmännische Verein in Schwierigkeiten. Mit Hilfe von Spenden und städtischer Hilfe gelang es dem 1890 gegründeten, in der Arbeiterbildungsbewegung wurzelnden "Ausschuß für Volksvorlesungen", der sich dann "Bund für Volksbildung" nannte, hier Fuß zu fassen. Seitdem ist das "Volksbildungsheim" Sitz der Volkshochschule und der Frankfurter Volksbühne. 1943 und 1944 wurde das Haus durch Bomben und Brand so mitgenommen, daß es erst am 18. Dezember 1953 wiedereröffnet werden konnte. Zerstört wurde auch die Wirkungsstätte Clara Schumanns und Julius Stockhausens, das anschließende Hochsche Konservatorium. Auf das Trümmergrundstück dehnte sich das Volksbildungsheim aus, doch blieben im Erweiterungsbau (1963) dem Konservatorium Räume vorbehalten.

Zurück zur Textübersicht