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Aus „Francofordia“ von Benno Reifenberg, 1983

Gärten

...Wie lebendig die Anlagen dauern und im Stunden- und Jahreszeitenrhythmus sich wandeln, haben wir zu Anfang dieser Betrachtungen geschildert. Die Aufnahme von den Anlagen am Rechneiweiher mit den schwingenden Rasenflächen, den Bäumen am Wasser im hellsten Frühlicht sich darbietend, die stillen weißgestrichenen Häuser mit ihren grauen Schieferdächern als leichte städtische Kulisse, offenbart die hier mögliche Anmut einer in Frieden ruhenden Frankfurter Landschaft. -Selbst in den bescheidenen Stadtteilen, die sich nach Norden und Osten anschließen, wird man Plätze kleineren aber nicht kleinlichen Formates finden, die immer noch etwas von der ursprünglichen,durch dieAnlagen eröffneten Zuwendung ins Ländliche gestreift sind.

Aber die Vorgärten! Wie sollten wir sie vergessen, ihr heiteres Spiel zwischen Bürgersteig und Haus? Sie setzten fort, was mit den Anlagen, diesem großen Tor ins Freie, ihre Schöpfer gemeint hatten. Sie begleiteten die Straßen, die von dem Halbbogen ins offene Gelände fanden, die teils jenen Feldwegen sich anschlossen oder an sie durch ihre Namen heute noch erinnern, an einstige Bachläufe, Wiesengründe, Auen und Gehölze. Etwas von den früheren Gärten vor den Landwehren, etwas von ihrer Weiträumigkeit sollte in diesen eigenwilligen Straßen erhalten bleiben, die wenige Jahrzehnte nach Gründung der Anlagen die neuen Wohnviertel entwickelten und gliederten. Die Vorgärten gehören zum Haus. Mäuerchen mit einfachen Eisenstangen trennen den schmalen Bezirk des Rasens, der Stauden, der Blumenbeete vom Bürgersteig. Aber diese Gärtchen grüßen einander über die Straße hinweg. In ihnen wuchsen, zumal innerhalb des Abstandes von Nachbarhäusern, auch Bäume, Pappeln, die bis zum Dachfirst reichten, Kastanien, Akazien. Diese Vorgärten bilden die erste Stufe von der Öffentlichkeit der Straße in den privaten Bereich der Wohnung; es ist etwas anderes, von der Haustür aus unmittelbar auf der Straße zu stehen oder mit ein paar Schritten den freien aber noch eigenen Zwischenbereich zu durchqueren; wie auch die Kleinen, von der Schule kommend, den Vorgarten als einen vertrauten Hafen empfinden. Die Geborgenheit, die zu jeder echten Wohnung gehört, sie kann in den Vorgärten Gestalt annehmen. Wer diese betritt, gelangt schon in die Sphäre des Privaten, dahin, wo das achtunggebietende Gesetz des innerhalb seiner vier Wände gelebten Daseins zu gelten hat.

Die mit derartigen Straßen durchzogenen Wohnviertel kennzeichnen sich in Frankfurt durch eine weitere spezifische Anordnung: Fast alle Häuser, auch die keinen Vorgarten haben, besaßen und besitzen auf ihrer Rückseite nicht sehr ausgedehnte, doch auch nicht geradezu kleine Gärten. Sie bieten mit denen der Nachbarstücke und zusammen mit den entsprechenden Gärten von Parallel- und Querstraßen den Anblick eines einzigen, Erfrischung sichernden Parks, worin fast immer eine Gruppe von größeren Bäumen zu finden ist. Früher waren sie von einfachen Plankenzäunen durchschnitten, man könnte an Squares denken.

Es mag an den Vorgärten liegen und an diesen von Häusern umschlossenen Gartengruppen, warum die Stadtviertel jenseits der Anlagen die ganz bestimmte besondere Ruhe und das Gefühl einer Intimität vermitteln. Man geht gerne in solche Straßen hinein. Wer früher, vom Opernplatz kommend, sich zum Beispiel der Leerbachstraße näherte, der wird stets von der anmutigen harmonischen Anordnung gefesselt gewesen sein:Vor dem Eingang, noch dem Platz zugehörig,erhob sich leicht, von Gebüsch und wenigen Pappeln umgeben, eine Brunnenschale;eine abgerundete Terrasse des linken Eckhauses leitete in das Innere der Straße, die durch eine Kurve die beiderseitigen Vorgärten in der Tiefe für das Auge zusammenschloß, die Häuserzeile war ganz einfach, aber durch viele hohe Fenster der Etagen belebt. Damals war die Leerbachstraße noch sehr still, ganz mit sich selbst im Einklang, eine wohlabgewogene Szenerie, alles andere als hochmütig oder abweisend. Sie hatte etwas Einladendes, ein freundlicher Zuruf kam von da her. Ein leiser; aber, wenn man es nicht eilig hatte, war er wohl zu hören.

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