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Aus : „Das tätige Frankfurt" von Dr. Franz Lerner, 1955

"HABSUCHT IST NICHT DER REGULATEUR UNSERER GESCHÄFTE"

Auf dem blanken Messingschild steht "gegr. 1748". Man tritt über eine Schwelle, zweihundert und ein paar Jahre alt, weiß ganz genau, auch dieses war Schutt und Asche und ist neu erstanden, aber das Haus, der Basler Hof in der Bethmannstraße, atmet. Er hat das Unvergängliche bewahren können, den Abglanz der bedeutenden Existenzen. Die Bilder an den Wänden, die herrlichen alten Kommoden haben alle Schrecken von Napoleon bis zu den Luftminen überstanden. Sie haben den alten Blücher, Madame de Stael und Bismarck gekannt. Die länglichen Spiegel in den schmalen Goldrahmen sahen die Frauen der Bethmänner lächeln bei Kerzenlicht und Gasbeleuchtung. Fromme, kluge, bedeutende, schöne und liebenswerte Frauen, die das Bedeutende den Söhnen, das Liebenswerte aber den' Töchtern vererbten..
Anna Elisabeth, die 1678 den Münzwardein Konrad Bethmann heiratete, war aus Minden. Dort gab es ein geistliches Stift, Simon und Mauritius geweiht, danach nannte sie ihren vierten Sohn, das sechste Kind, Simon Moritz. Und Simon Moritz heißen sie heute noch, wenn sie nicht gerade auf Johann Philipp getauft sind. Der Simon Moritz nahm eine Frankfurterin zur Frau, Elisabeth Thielen. Als sie nach zehnjähriger Ehe Witwe geworden, zog sie mit ihren Kindern zum Schwager Adami nach Frankfurt. Adami, ein bedeutender Handelsherr, Sohn des Weinschenks aus dem "Türkenschuß" auf der Zeil, nahm seine beiden Neffen, da er kinderlos blieb, in das damals schon sehr bedeutende Geschäft in der Bleidenstraße. Im Jahre 1746 ließen sich die beiden, Johann Philipp und Simon Moritz, die den Frankfurtern als die "guten Brüder" galten, für eine Summe von je 800 Gulden in den Frankfurter Bürgerverband aufnehmen. Gleichzeitig erwarben sie ein Erbbegräbnis auf dem Petersfriedhof, offenbar bereit, in und für Frankfurt zu leben und zu sterben. 1762 kauften sie von den Stalburgs den Baseler Hof, der bald Bank und Wohnhaus umschloß. Aus Holzhausenschem Besitz wurde das Anwesen am Friedberger Tor erworben. Die Villa Ariadne, Landsitz der Bethmanns, sah neben ihrer marmornen Hausgöttin viele göttlich leichtfüßige weibliche Wesen durch den Park, die Gewächshäuser und über das spiegelnde Parkett huschen.
Einträchtig wohnten die "guten Brüder" unter einem Dach. Simon Moritz hatte die neunzehnjährige Tochter des Leipziger Stadthauptmanns Balthasar Rühle geheiratet. Zehn Jahre später nahm Johann Philipp die Katherina Margarethe Schaaf zur Frau, Tochter des Wirklichen Kaiserlichen Raths und ältesten Schöffen der Stadt. 1778 galt das Bankhaus Bethmann als das bedeutendste christliche Bankhaus Deutschlands. Es verdiente in einem Jahr mehr, als die anderen Frankfurter Bankhäuser zusammen. Schon damals weiteten sich die Geschäfte ins Europäische.
Simon Moritz starb verhältnismäßig jung und ohne Kinder. Johann Philipps Sohn, 1768 geboren, hieß wiederum nach dem Mindener Stift Simon Moritz. Später nannten sie ihn "le roi de Francfort", er wurde "ewiges Mitglied" der Senckenbergschen Naturforschenden Gesellschaft, die Kaiser seiner Zeit überschütteten ihn mit Huld und Orden, die Stadt Frankfurt machte ihn zum Kommandanten der Feuerwehr, die gleichzeitig Bürgerwehr war, außerdem zum Befehlshaber der freiwilligen Landwehr zu Pferde. Der Staatsrat Simon Moritz war für die Großen seiner Zeit das Gewicht, mit dem Frankfurt gemessen wurde, und es gelang ihm immer wieder, die Waagschalen ins Gleichgewicht zu bringen. Er heiratete in Amsterdam Luise Boode, die Holländerin aus Guyana, eine ungewöhnlich schöne Frau. Louisa heißt noch heute der Park, den er nach ihr benannte. Ihre großen, dunklen Augen versengten sogar dem sieg- und liebegewohnten Zaren Alexander das Herz.
1826 starb der Staatsrat, der "Habsucht niemals zum Regulateur seiner Geschäfte" gemacht hatte. In der Tat hatten die Rothschilds das Bankhaus überflügelt. Das Vermögen war unter ihm das gleiche geblieben wie vorher. Sein Grab deckt eine Platte, "Bürger von Frankfurt" steht darauf. So vieles ist ihm gelungen in der großen Politik. Aber den Frankfurtern mit Gas heimzuleuchten, das hat er nicht geschafft. Das bringt erst der Sohn Moritz fertig, der preußische Konsul. Er läßt Schiffe und Eisenbahnen mit Dampf fahren und sorgt dafür, daß die lächerlichen innerdeutschen Grenzen illusorisch werden ... Zum Fürstentag von 1863 vereint eine Soiree in der Villa Ariadne 25 Fürsten, einen Kaiser und vier Bürgermeister der Freien Städte. Der 60jährige Koch der Bethmanns hat nun für Napoleon, den Zaren Alexander und den Kaiser von Österreich gekocht. Aber 1866 verschließt Moritz von Bethmann seine Salons. Er, der preußische Konsul, mag keine preußischen Beamten. Die gehen auch lieber nach Wiesbaden und Kassel als nach Frankfurt, weil das Leben dort billiger ist.
Einmal vor den Familienbildern ins Erzählen geraten, läßt sich ein Ende nicht absehen. Wieder ist ein Simon Moritz, 1887 geboren, Chef des Hauses. "Über mich gibt's nichts zu erzählen", meint er und fragt gleich darauf nach dem befreundeten Bankhaus Metzler. "Über die müssen Sie schön schreiben, die sind noch viel älter als wir." Das war Unterricht in Courtoisie, einer in Vergessenheit geratenen Kunst, die man zuweilen noch dort antrifft, wo man in der sechsten Generation an imaginären und weiträumigen Geschäften beteiligt ist, gleichzeitig Bürger von Frankfurt und der Welt.

"HANDEL IN STEYRISCHEN EISEN- UND MESSINGWAREN"

Dem formstrengen Werkstoff Eisen widmete sich der Schmied Michael Karl Friedrich Fester vor mehr als 180 Jahren, nachdem er das Frankfurter Bürgerrecht erworben hatte, mit jenem beharrlichen Fleiß, der handwerklicher Tüchtigkeit von jeher eigen ist. Sein Domizil war - wie konnte es auch anders sein - in der Fahrgasse, der besten Geschäftslage der damaligen Zeit, in der das Leben, besonders in den Tagen der Messe, prächtig florierte, stellte sie doch die Verbindung von Süden nach Norden her; man nannte sie damals auch "die Schmiedgasse". Da in ihrer Nähe sich die "Eysen-Waage" am "Haus bey der Brücken, an dem Brückhoff gelegen" befand, verblieb "der Handel in steyrischen und anderen Eisen- und Messingwaren", fundiert auf Tradition und Solidität des Unternehmers, durch Generationen hindurch am gleichen Platze, äußerlich zwar mit wechselnden Namen erscheinend, im inneren Gefüge jedoch seit Jahrzehnten von gleichbleibender Leistungstreue erfüllt. Dieser Handel mit gebrauchsfertigen Eisenwaren, den um 1770 nur neun hier ansässige Firmen ausübten, wurde 1896 von August Eschelbach übernommen, der die Firma 1904 in die Stiftstraße verlegte. Völlig ausgebombt, hat sie heute eine neue Bleibe im Oederweg gefunden und führt Schmiedebedarf, Spezialitäten für den Fahrzeugbau, Baubeschläge, Werkzeuge und Geräte für Garten und Haus.

FARBENPRACHT AUS STEINKOHLENTEER

Farbenpracht aus Steinkohlenteer - das war die epochemachende Entdeckung in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Hatte noch der Frankfurter Kaufmann Leopold Cassella, der seit 1798 zusammen mit seinem Schwager eine "Handlung" betrieb, natürliche Farbstoffe und Farbhölzer aus Indien, China und Südamerika importiert, so erkannten seine Nachfolger die Chancen der synthetischen Farbstoffe. Neben der Herstellung von Indigopräparaten wurden Ende der 60er Jahre in gemieteten Fabrikräumen in der Soemmerringstraße unter Leitung von Dr. Leo Gans, in Zusammenarbeit mit Fritz Gans und dem Techniker Leonhardt, die vorbereitenden Versuche zur Fabrikation von Teerfarbstoffen betrieben.
Leo Gans (1843-1935) hörte Vorlesungen bei Boettger und studierte Chemie in Karlsruhe, Heidelberg sowie Marburg und ging danach in eine Fabrik in Paris. 1868 hat er dann schon seine eigene Fabrik in der Soemmerringstraße gegründet und übernahm danach den Firmenmantel seines Großonkels Cassella. ( http://www.physikalischer-verein.de/Historisches.htm )
Bald darauf wurde in der Nähe des kleinen Bauern- und Fischerdorfes Fechenheim Gelände gekauft und dort 1870 mit dem Bau einer Fabrik begonnen. Noch im gleichen Jahre begann mit fünfzehn Arbeitern die Produktion von Fuchsin und weiteren basischen Farbstoffen. Die intensive Forschung, die seit 1879 erfolgreich betrieben wurde, führte bereits in den 80er Jahren zur Nutzbarmachung besonders wertvoller Zwischenprodukte der Benzol- und Naphthalinreihe, die zum Aufbau zahlreicher Mono- und Polyazofarbstoffe notwendig waren. Die nun in allen Farbtönen produzierten Diamin- und Diaminogenfarben für Baumwolle und Azofarbstoffe für Wolle machten den Namen Cassella in der Welt bekannt. Sie übertrafen an Schönheit die Naturfarbstoffe und gingen in Millionen Kilo in die Länder, aus denen vor knapp hundert Jahren noch lebhaft Farbhölzer und -stoffe importiert worden waren. Indien, Malaya, China, Nord- und Südamerika waren Hauptabnehmer dieser Farbstoffe. Zu ihnen gesellte sich im Jahre 1909 die wertvollste Entdeckung auf dem Gebiet der Schwefelfarbstoffe - das Hydronblau. Zuvor waren in dieser Gruppe bereits Immedialschwarz, -reinblau, -marron, -gelb und -orange entwickelt worden. Hydronblau aber war dem einstigen König der Farbstoffe, dem Indigo, in vielen Eigenschaften überlegen. Diese Erfolge in der Entwicklung der Farbstoffe waren vor allem darauf zurückzuführen, daß Arthur von Weinberg und seine erfolgreichen Mitarbeiter Herz und Kalischer sich frühzeitig von der planlosen Schwefelung beliebiger organischer Produkte entfernten und an ihre Stelle die wissenschaftliche Bearbeitung setzten...

FRIEDRICH STOLTZE ALARMIERT DEN PUMPENMACHER

..Frisch auf, ihr Pumpenkünstler, frisch auf / Zum Grüneburgweg gezogen Die Pumpe pumpt nur Lehmbrühe heraus / und sonstige dreckige Wogen Die Brunnenkammer ist ganz verschlammt / und das Wasser schmeckt ganz verflucht und verdammt / Der Friedrich Stoltze mit seiner Frau samt Kindern ein ganzer Haufen / sie sind schon ganz lehmgelb und aschgrau gefärbt und angelaufen / Mit dem Lehm, welchen wir müssen verdauen / wir könnten ein eigenes Haus uns bauen.
Das vergilbte Blatt, auf dem mit verblaßter Tinte diese Zeilen geschrieben sind, trägt das Datum vom 29. März 1826 und schließt mit dem Hilferuf: "Also schikken Sie uns Leute!" Welcher Frankfurter kennt nicht Friedrich Stoltze, und welcher Frankfurter kennt nicht die Firma Rühl, an die er diesen Hilferuf richtete? Die Firma Rühl ist vier Jahre älter als dieser Brief. Sie wurde am 7. Februar 1822 gegründet. Noch heute liegt die Urkunde vor: "Auszug des Protokolls des Engeren Raths", die den Adam Rühl im Haus "Zum Tannenhirsch", Schäfergasse 7, als Pumpenmacher anerkannte.
Im Jahre 1850 übernahmen die Söhne Adams, Christian und Ernst, unter dem Firmennamen I. A. Rühl Söhne das Geschäft, aber es klappte bei den beiden nicht ganz brüderlich, und so trennten sie sich acht Jahre später. Christian behielt das väterliche Geschäft, und Ernst gründete eine eigene Firma E. Rühl jun. in der Kleinen Friedberger Gasse 11. Ernst Rühl zog 1866 in den Oberweg und sechs Jahre später in die Hermannstraße, in der heute noch die Geschäftsräume liegen. Eine Heirat führte die Familie wieder zusammen. Adam Rühl, der Sohn des Christian, heiratete die Tochter von Ernst Rühl, so daß nach Christians Tod im Jahre 1884 die beiden Firmen wieder vereinigt wurden.
Das Jahr 1873 brachte den Bau der städtischen Wasserversorgung in Frankfurt. Damit begann der Aufschwung der Firma Rühl. Die Gründerjahre mit ihren großen Bauvorhaben stellten immer neue Aufgaben, und bald reichte das reine handwerkliche Können zu ihrer Erfüllung nicht mehr aus. Heinrich Rühl studierte in Aachen und arbeitete in Amerika und in Hamburg als Ingenieur. Voll von Plänen kehrte er 1885 in die Firma zurück und gliederte ihr die Abteilung Heizungs- und Lüftungsbau an. Von jenem Jahr ab trägt die Firma ihren Namen E. Rühl & Sohn.
Als Ernst Rühl 1893 starb, übernahm Heinrich Rühl, der später Ehrenobermeister der Innung und Ehrenvorsitzender des Fachverbandes wurde, die Firma, in die nach dem Ersten Weltkrieg die Brüder Josef und Adolf als Prokuristen eintraten, das Brüderpaar also, das noch heute die Geschicke des alten Frankfurter Hauses leitet. Heizungen, Lüftungen, Rohrleitungsbau und Sanitärtechnik sind die Zweige der Firma. Stand am Anfang ein Brief, der an Adam Rühl gerichtet war, so soll am Ende ein Schreiben stehen, das Ernst Rühl verfaßte. Es war eine Rechnung, die er einem Sachsenhäuser Gärtner zustellte und auf der kurz und lakonisch stand: Einmal gefährliches In-den-Brunnen-sehen 3 Gulden 50. Also verstanden auch die Rühls Briefe zu schreiben, aber sie verstanden es auch, sie gleichzeitig in klingende Münze zu verwandeln.

DIE NACHKOMMEN DES SCHWÄBISCHEN STADTBAUMEISTERS

Die Frankfurter Kaysser, mit "ay" und "ss", waren einmal Schwaben. Aber das ist schon lange her. Mit dem Sproß Daniel, der ein perfekter Maurermeister war und sich bei Festungsbauten gut auskannte, kam der erste dieser Kaysser aus Nördlingen nach Frankfurt. Die Stadt rief ihn, weil sie ihn brauchte, damit für die große Umgestaltung der Festungsmauer in den Jahren 1690-99 tüchtige Leute zur Verfügung standen. Daniel Kaysser, im Range eines Stadtbaumeisters, damals ganze 25 Lenze alt, baute die Befestigungswerke zwischen der Bornheimer Pforte und dem Friedberger Tor, blieb danach in der Stadt und arbeitete auf dem friedlichen Sektor weiter.
Das erste auf diesem Gebiet waren die Wiederherstellungsarbeiten an der Leonhardskirche. Darauf folgte nach der Jahrhundertwende der Bau des Palastes des Ritterordens der Deutschen Herren in Sachsenhausen, später Mitarbeit am Palais Thurn und Taxis; und dann waren die Kinder von Daniel schon erwachsen, von Daniel, der sich mit einer Tochter der Frankfurter Steinmetzfamilie Artzt verbunden hatte und nun bereits vier gelernte Bauhandwerker unter seinen Nachkommen besaß.
Die "Kaysser" bauten 1741 den Palast des Landgrafen von Hessen auf der Zeil (Darmstädter Hof), von 1763 bis 1766 für die Bethmanns den "Baseler Hof" und den "Vogel Strauß", sie errichteten das erste Städtische Komödienhaus. Die Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gingen dahin, und in keinem einzigen fehlt ein wesentlicher Bau in der Stadt, bei dem nicht der Name "Kaysser" erwähnt wird. Einer der Kaysser, Philipp Carl, gründet im Jahre 1824, nach Rückkehr von der üblichen Wanderschaft, ein eigenes Geschäft, das ab 1856 als Baugeschäft Ph. Carl Kaysser & Sohn firmierte. Sein Sohn, Adam Friedrich, erbaute 1867 für die Firma Ph. Carl Kaysser & Sohn das Gesellschaftshaus des Palmengartens mit dem Palmenhaus, dann 1874-76 mit Professor Durm zusammen das Gesellschaftshaus im Zoo, 1874-80 war er Mitglied der Baukommission für das Opernhaus. Außer vielen Wohnhäusern, dem Komplex der Polytechnischen Gesellschaft in der Neuen Mainzer Straße, errichtete er das alte Gebäude der Ortskrankenkasse in der Weißfrauenstraße sowie einen Teil des Rathauses an der Paulskirche. Sein Sohn Johann Heinrich Kaysser leitete die Firma während der Inflations- und Nachkriegszeit bis zu seinem Tode 1934. Während dieser Zeit entstanden, neben Wohn- und Geschäftshäusern, der Erweiterungsbau der Börse, Bauten für das Städtische Wasserwerk (Pumpwerk Hattersheim, Goldstein Hinkelstein) und die Pädagogische Akademie (heutiges Rundfunkgebäude). Nach dem Tode von Heinrich Kaysser führt sein Sohn, Architekt Hans Kaysser, zusammen mit dem 1944 eingetretenen Dipl.-Ing. Hans Loth, die alte Firma weiter. Was die Firma seit dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt gebaut hat, läßt sich hier kaum aufzählen. Es sind große Industriebauten, Geschäftshäuser und Siedlungsbauten, Wohnhäuser und Krankenanstalten. So, wie damals Ende des 17. Jahrhunderts der erste Frankfurter Kaysser, Daniel, seinen Namen hatte, ist auch die Firma Ph. Carl Kaysser & Sohn im heutigen Frankfurt ein Begriff.

RUHRKOHLEN STATT LOHKÄS

Der 18. Oktober war der Staatsfeiertag der Freien Stadt. An diesem Tage hatte sie im denkwürdigen Jahre 1914 aus der Hand ihres späteren Ehrenbürgers, des Reichsfreiherrn vom Stein, Freiheit und Souveränität wiedererhalten. An diesem Tage wurden in Alt-Frankfurt zum ersten Male die Öfen angesteckt, mochte es auch vorher noch so kalt gewesen sein. Genauso konservativ war man beim Heizmaterial. Wer es sich leisten konnte, verbrannte in seinen Kaminen mächtige Holzkloben. Der Baron Rothschild ließ sich sein Grüneburg-Schlößchen nur mit zwei Jahre abgelagertem Eichenholz beheizen.
Für den einfachen Mann war das Holzfeuer längst zu teuer. Findige Leute machten aus den Abfällen der zahlreichen Gerbereien, die für die Lederbereitung große Mengen Eichenlohe verbrauchten, eine Art von Briketts. Dieses gepreßte Brennmaterial, der Lohkäse, roch nicht gerade lieblich.
Ein geborener Kaufmann erkannte hier seine Chance. Er war ein junger Mann voller Initiative und mit offenem Blick für geschäftliche Möglichkeiten. Zunächst betrieb er seit 1825 eine Hasenhaarschneiderei, die den Rohstoff für die gerade Mode gewordenen Zylinderhüte lieferte. Für das Dämpfen seiner Felle aber brauchte er billiges Heizmaterial. Die oberfränkische Lignitkohle, die geschäftstüchtige Flößer für die Frankfurter Schmiede heranführten, war ihm nicht gut genug. Da führte ihn eine seiner weiten Geschäftsreisen in das Ruhrgebiet, wo der alte Kohlenbergbau eben begann, zu modernen Fördermethoden überzugehen. Eduard Lejeune - so hieß unser Kaufmann - griff zu und führte ganze Schiffsladungen des schwarzen Fördergutes rheinaufwärts in die Vaterstadt. Die Ruhrkohle erwies sich jedoch für die Kamine und offenen Herde der Frankfurter Bürgerhäuser als ungeeignet. Es mußten dafür ganz neue Öfen ersonnen werden. Eduard Lejeune reiste zu Buderus nach Wetzlar und gewann das Hüttenwerk dafür. Den Ofenverkauf übernahm er selbst, bis sich Jahre später die Firma Louis Marburg dieses Geschäftszweiges annahm. Wenn es ihm jetzt noch gelang, die Widerstände der Verbraucher gegen das neue Brennmaterial zu überwinden, dann war ein großer Umsatz sicher.
Doch bis dahin war noch ein weiter Weg. Zwar empfahl ein hoher Senat der Freien Stadt auf das Drängen der Forstverwaltung hin allen Behörden die Einführung der Kohlenheizung. Die 60 großen Öfen im Römer jedoch ließ er weiter mit Holz feuern. Immerhin fanden sich ein paar fortschrittlich Gesonnene, darunter sogar der Rektor des berühmten Frankfurter Gymnasiums. Im Schulgebäude im Arnsburger Hof füllte also im nächsten Winter der Pedell während der Unterrichtsstunden die mächtigen Öfen mit Ruhrkohlen. Er verstand von der Sache nicht viel und wollte sicher auch nichts hinzulernen. Jedenfalls füllten dichte Rauchwolken die Klassenzimmer, die glühenden Öfen begannen zu spucken, und die Schüler waren von dem Feuerwerk begeistert. Das Kollegium jedoch schüttelte bedenklich die Köpfe, und im nächsten Jahre wurde im Gymnasium aus Gründen der Schuldisziplin wieder mit Holz geheizt.
Die breiten Massen waren am sichersten für die Neuerung zu gewinnen, wenn die tonangebenden Familien der Stadt dazu übergingen. Dieser Gedanke war durchaus richtig und Eduard Lejeunes Methode, ihn in die Tat umzusetzen, dazu noch recht originell. Als er 1840 am Friedberger Tor Nachbar des Barons Bethmann geworden war, erhielt er bald eine Einladung zu dessen Abendgesellschaften. Er verhieß dem Gastgeber einen Beitrag besonderer Art. Zur Überraschung der anderen Geladenen erschienen zu vorgerückter Stunde vier völlig weißgekleidete Männer. Auf besonderen Tabletten trugen sie schwarzblinkende Ruhrkohlen und beschickten damit die offenen Kamine des Bethmannschen Landhauses. Doch deren Luftführung war nicht für Kohlenfeuer geeignet. Bald trieb der Wind den Kohlenqualm in die Zimmer und schlug die Gäste in die Flucht.
Eduard Lejeune und die sich rasch ihm zugesellenden Konkurrenten haben doch noch den Lohkäs und das Brennholz aus dem Felde geschlagen. Buderus-Öfen und billiger Preis waren die stärksten Helfer. Dazu aber erschloß sich ein Kaufmann von der Art Eduard Lejeunes immer neue Absatzgebiete, insbesondere beim Tunnelbau der Eisenbahnen.
Zusammen mit dem Kohlengeschäft hatte E. Lejeune auch eine Holzhandlung aufgebaut, die im Laufe der Jahre immer bedeutendere Ausmaße annahm. Seine Söhne und Enkel haben diesen Geschäftszweig besonders ausgebaut. Sie waren genau so eigenwillige Männer wie ihre Ahnen und machten ihrem Namen alle Ehre. Nicht umsonst sagt ja schon das Sprichwort: nomen est omen. Ernst Lejeune hat sich als Sammler und Kenner in der Numismatik einen großen Ruf erworben. Seine Hauptarbeit galt jedoch in über 40jähriger Tätigkeit dem Familienunternehmen. Sein Vetter Wilhelm war zeitlebens ein leidenschaftlicher Bastler. So erprobte er schon früh in der eigenen Werkstatt die um 1930 in Deutschland auf den Markt gekommenen Holzfaserplatten, erkannte ihre Vorzüge und erfaßte die Zukunftsmöglichkeiten.
Die neuangegliederte Abteilung "Bauplatten" entwickelte sich rasch. Bereits 1935 wurde Eternit-Asbestzement aufgenommen. Unbrennbar, korrosionsfest, wetterbeständig, leicht und einfach zu verarbeiten war dies ein vielseitig verwendbares Material. So hat sich Eternit, ursprünglich nur als Dachhaut eingeführt, in den 50 Jahren seiner Entwicklung ein weites Anwendungsfeld erobern können. Im Frankfurter Raum und darüber hinaus wurde die Firma Eduard Lejeune zu seinem unermüdlichen Wegbereiter. Dank ihrer großen Erfahrung konnte sie seit 1945 das Bauplattengeschäft zielbewußt zum Hauptzweig ihres Unternehmens ausbauen. Auf dem Gebiete von Kunstharzplatten, Holzfaserplatten und neuen Fußbodenbelägen leistete sie mit Erfolg Pionierarbeit. Neuerdings hat sie ihr Augenmerk auch der Verbreitung von Schalldämm- und Schallschluckstoffen zugewandt.
Im angestammten Besitz in der Schäfergasse 15 ausgebombt bezog die Geschäftsleitung nach zehnjährigem Intermezzo im Haus Zeil 95 zu Beginn des Jahres 1955 im Hochhaus "Bienenkorb" im 10. Stockwerk neue Geschäftsräume unter dem Motto: "Lejeune immer auf der Höhe!"

SOLIDE GEBAUT UND SOLIDE BAUEND

Die Firma J. & W. Proesler bestand schon seit gut 50 Jahren, als sie aus dem Nordend kurz nach der Jahrhundertwende nach Rödelheim auf ihr Gelände an der Westerbachstraße umzog. Dies war auch die Zeit, in der sich das Schwergewicht innerhalb des Betriebes vom Holz mehr zum Betonbau zu verschieben begann.
Die Firma wurde 1851 gegründet und nahm mit ihren Arbeitszweigen Maurerei, Zimmerei und Schreinerei einen stetigen Aufstieg. 1874 führten Wilhelm Proesler und Christian Schmidt den Betrieb, doch schied Christian Schmidt schon drei Jahre später aus, und ab 1. Januar 1878 trägt die Firma ihren jetzigen Namen. Genau 30 Jahre später trat Regierungsbaumeister a. D. Emil Holz in die Firma ein, und am 1. Januar 1911 wurde Architekt Dipl.-Ing. Fred Kossmann Teilhaber. Ein Jahr später starb der letzte Träger des Namens Proesler, Wilhelm Pressiere so daß die Firma jetzt von Emil Holz und Fred Kossmann geleitet wurde, während die Witwe Caroline Proesler noch einige Zeit als Kommanditistin eingetragen war.
Nach dem Tode von Emil Holz trat Dipl.-Ing. Otto Lueken 1941 in die Firma ein. Als auch Fred Kossmann 1942 starb, dauerte es jedoch auf Grund der Kriegsereignisse Jahre, bis sein Sohn Gerhard die Nachfolge antreten konnte. Seit April 1948 liegen die Geschicke der Firma in den Händen von Otto Lueken und Gerhard Kossmann, dessen Schwester Karen noch Kommanditistin ist.
Das Arbeitsgebiet des Unternehmens umfaßt noch immer die gleichen Sparten wie zur Zeit der Gründung, allerdings ist die Zimmerei heute etwas zurückgetreten, während der Beton- und Stahlbetonbau mehr in den Vordergrund rückten. Die Hauptkunden sind die Geschäftswelt und die Industrie, und die rund 150 Arbeiter verbindet mit der Firma ein fast patriarchalisches Verhältnis, wie man es selten findet. Die Söhne nehmen eines Tages die gleichen Arbeitsplätze wie ihre Väter ein, und 30jährige oder 40jährige Arbeitsjubiläen sind keine Besonderheit. Die Arbeiter sind also mehr Mitarbeiter, und dieser Charakter zeichnet sich auch in der Entwicklung der Firma ab: sie hat sich kaum an Großprojekten beteiligt, sondern den langsamen und stetigen Aufstieg, die gesunde Entwicklung vorgezogen. Allerdings war die Firma J. & W. Proesler Mitbegründerin der Mietheim A.G., die später als Gartenstadtgesellschaft das Großprojekt Römerstadt errichtete.
Die besondere Liebe der Firmeninhaber galt immer auch dem Bau von Einfamilienhäusern und großen Villen. Aber sie können auch mit einer Anzahl repräsentativer Bauten aufwarten: die "Anatomie", das Bankhaus Hengst, Bauten bei Hartmann & Braun, Peek & Cloppenburg, das Ravenstein-Haus an der Hauptwache, der sehr schwierige Umbau bei der Firma Lorey, die Klinkerbauten der Degussa in der Gutleutstraße, die reformierte Kirche in der Staufenstraße und viele andere sind Beweise eines soliden Könnens.

Weitere Firmengründungen zwischen 1613 und 1864 (Tabelle)

DAS KAUFHAUS AN DER STADTGRENZE

Johann Heinrich Lerp hatte eine Schneiderwerkstatt im Keller eines Hauses in der unteren Bergerstraße. Die Großstadt Frankfurt mit ihrer Gasbeleuchtung, ihrer glanzvoll prächtigen Zeil und den durcheinander wimmelnden Fuhrwerken war ziemlich weit entfernt. Die Habsburger Allee bildete die Frankfurter Stadtgrenze, die Bornheimer Heide schloß sich an, ein unwirtliches Gelände, auf dem es nachts nicht ganz geheuer war.
Die Frankfurter, die sich in diesem Randgebiet angesiedelt hatten, wollten beileibe keine Bornheimer sein, und die Bornheimer, die ihre Sonntagshosen bei Lerp nähen ließen, fühlten sich in erster Linie als Bornheimer und sonst nichts. Aber so treu hielten beide Teile eines Ganzen zu ihrem Schneidermeister, daß er 1889 ein Kurzwaren- und Schneidereibedarfsartikelgeschäft eröffnen konnte. In kleinem Umfang zunächst, aber nach drei Jahren bezog man schon den Neubau gegenüber, Bergerstraße 43, und erweiterte das Geschäft, in das man Textilwaren einbezog, um ein Stockwerk.
Die Meisterin war sehr streng und höllisch scharf hinter den Lehrlingen und Verkäufern her. Sie ließ sich eine zweite Küche im Geschäft einrichten, um nie das Gefühl sträflicher Ungebundenheit bei ihren Leuten aufkommen zu lassen. Bei Personaländerungen, und das kam häufig vor, wechseln nur die Köpfe, pflegte sie zu sagen. Das übrige unbrauchbare Gestell bleibe immer das gleiche. Auch die Besitzer des kleinen, aber vielseitigen, auf Qualität und Reichhaltigkeit bedachten Kaufhauses haben gewechselt. Adolf Steidinger, der 1921 in die Firma eintrat und sie durch erfolgreiche und schwierigste Jahre führte, und seit 1943 sein Sohn Horst sind die Inhaber. Sie verteidigen tapfer diese vorgeschobene Bastion des Frankfurter Einzelhandels in einem Grenzgebiet der Innenstadt, das von dem Neonlichtreklamenwirbel noch nicht erreicht ist.

40000 FLASCHEN PRO TAG

Die Erzeugung von alkoholfreien Erfrischungsgetränken ist im Wirtschaftsraum von Frankfurt a. M. hoch entwickelt. Schon im Jahre 1875 begann der Bierbrauer Wilhelm Jansen mit der Herstellung von Mineralwasser, zunächst in Oberrad. 1883 übersiedelte er in die Kleine Eschenheimer Straße, später in die Mayfarthstraße, wo er größeren Raum für Büro und Lager vorfand.
Als die Großmarkthalle errichtet wurde, mußte das Gebäude geräumt werden, und so zog die Firma 1928 in die lntzestraße um. Sie wurde dort 1944 ausgebombt und hat sich nach dem Kriege im Oederweg 9-11 (ab 1825 chemische Fabrik) ein neues Domizil errichtet. Der Schwiegersohn Ludwig Kraft, der später das Geschäft von dem Sohn des Gründers, Wilhelm, übernahm, leitet heute den Betrieb, in dem 40 Personen beschäftigt sind. 18 Lieferwagen sorgen für die Verteilung der verschiedensten Getränke an die durstigen Frankfurter, denn neben der Produktion des bekannten Erfrischungsgetränkes "Sinalco", von dem an heißen Tagen bis zu 40000 Flaschen hergestellt werden, betreibt die Firma auch einen ausgedehnten Großhandel mit verschiedenen Naturbrunnen, Obstsäften sowie Flaschenbieren und vertreibt Kohlensäure.

UNTER DEM DOPPELADLER

Im Jahre 1888 gründeten die beiden Österreicher Fries und Treubel in Frankfurt eine "Österreichische Feinbäckerei". Sie wollten neben Brot und Weißgebäck auch feine Konditorware herstellen und in eignen Verkaufsstätten absetzen. Im November 1889 - nach Schwierigkeiten in der Leitung des Unternehmens - verkauften die Gründer die Firma an Carl Schwarte. Als Sohn eines Mühlenbesitzers in Derneburg bei Hildesheim geboren, hatte er sich auf weiten Reisen die erforderlichen Erfahrungen angeeignet und behielt in Erkenntnis der Werbekraft den Namen "Österreichische Feinbäckerei" bei. Er benutzte weiterhin die Farben schwarz-gelb und den Doppeladler als Embleme für das Unternehmen, das, dank der Qualität seiner Waren, schnell über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde.
In der Schwarzburgstraße 66/68 wurden großzügige Fabrikbauten errichtet, die auch heute noch, nach mancherlei Umbauten, dem Unternehmen als Produktionsstätte dienen. Gleichzeitig entstand ein Filialennetz, das die ganze Stadt umspannte und so auch den Absatz sicherte. Es war in den Jahren, als die Technik auch dem Backgewerbe mehr und mehr dienlich gemacht wurde. Aufgeschlossen für alle Neuerungen, schuf Carl Schwarte einen für damalige Verhältnisse mustergültigen Betrieb. Ein Bericht von einer Betriebsbesichtigung des Technischen Vereins aus dem Jahre 1899 rühmt die großartigen maschinellen Einrichtungen der 3 Fabrikationsabteilungen und den Arbeitsablauf in der Brotbäckerei, der Weißbäckerei und der Konditorei. Was aber damals ganz besonders auffiel, war die großzügige Betreuung der Belegschaft. Für ledige Arbeiter war ein ganzer Flügel der Fabrikanlage mit Wohn- und Schlafräumen ausgestattet. Bäder und Duschräume, eine umfangreiche Bibliothek sowie Lese- und Schreibzimmer standen für die Freizeit zur Verfügung. Einzigartig aber dürfte die Anlage eines Leitungssystems gewesen sein, das nach allen Arbeitsräumen und vor allem nach den Öfen führte und aus dem man ständig warmen, gesüßten Tee zapfen konnte. So war das Unternehmen schon um die Jahrhundertwende ein wirklicher Musterbetrieb, der viele Besucher aus dem In- und Ausland anzog.
Gerade nachdem wieder grundlegende Umbauten und Neuerungen durchgeführt waren, brach der Erste Weltkrieg aus. Rationalisierungen und allgemeiner Mangel zwangen zu erheblichen Einschränkungen, aber das Unternehmen war bereits so gut und fest fundiert, daß es auch die nachfolgende Inflation ohne großen Schaden überstehen konnte.
1924 starb Carl Schwarte und hinterließ das Unternehmen seinen beiden Söhnen Rudolf und Alfred, die es im Sinne des Vaters weiterführten und zu neuer Blüte brachten. Als die Zeppelin-Luftschiffe ihre Reisen nach Übersee antraten, hatten sie auch Schwarte-Brot an Bord und trugen so - im wahrsten Sinn des Wortes den Namen der Österreichischen Feinbäckerei hinaus in die weite Welt. Dann gab es wieder Rückschläge und kaum zu überwindende Schwierigkeiten während des Zweiten Weltkrieges: Fast sämtliche Filialen wurden ausgebombt, nur die Fabrik blieb verschont. Alfred Schwarte, der jüngere Bruder, kehrte aus Rußland nicht mehr heim. Rudolf Schwarte war im Westen in Gefangenschaft geraten und kam ein halbes Jahr nach Kriegsende wieder nach Hause. Schwierige Aufgaben erwarteten ihn. Der Maschinenpark mußte erneuert und den letzten Entwicklungen der Technik angepaßt werden, um dem erhöhten Bedarf gerecht zu werden. Ebenso mußte fast das gesamte Filialennetz neu aufgezogen werden. Heute steht die Österreichische Feinbäckerei Carl Schwarte wie einst an führender Stelle, traditionsverbunden und doch modern, stets das Beste für den Kunden bietend.

ALLERLEI SAURES

Im Jahre 1871 erblickte Andreas Kolb, Sohn eines selbständigen Müllers, in Schönsee das Licht der Welt. Wie alle seine Vorfahren, ergriff auch er das ehrbare Müllerhandwerk. Unter der Leitung seines Vaters führte er die Kolb's Mühle. Doch über Nacht wurde diese durch Brand zerstört und Andreas Kolb gelang es als einzigem, die Mühle lebend zu verlassen. Hier regte sich unwiderstehlich das lang unterdrückte Bestreben nach der Ferne. Er ergriff den Wanderstab, lernte Menschen, Mühlenbetriebe und Städte kennen und faßte den Entschluß, sich in der alten Handelsstadt Frankfurt a. M. niederzulassen. Durch die Hochkonjunktur des ausgehenden 19. Jahrhunderts gab es hier mittlerweile Getreidemühlen genug. Um seinem Müllerberuf weiter treu zu bleiben, suchte er nach einer anderen Möglichkeit, sich in seinem Handwerk zu betätigen. So gründete er am 1. Oktober 1894 in der Egenolffstraße 32-34 zu Frankfurt sein Unternehmen, das den stolzen Namen trug. "Erste Frankfurter Senf-Fabrik, Inhaber: Andreas Kolb".
Dieser erste Betrieb war nach damaligen Begriffen sehr neuzeitlich eingerichtet. Ein Gasmotor trieb 4 Senfmahlgänge. Das riesige Schwungrad befand sich halb im Keller und halb über der Erde. Doch in der damaligen Zeit waren wohl die Ohren und Nerven der Bürger sehr geräuschempfindlich und so kamen bald die ersten Beschwerden über den Lärm des Explosionsmotors.
Andreas Kolb verschloß sich den Beschwerden nicht und suchte nach einem günstigeren Platz für seine Firma. Er fand ihn in der Friedberger Landstraße, draußen vor der Stadt, wo keine Nachbarn gestört werden konnten, in den Räumlichkeiten einer früheren Milchkuranstalt mit Stallungen und Zubehör. Hier lief das Geschäft gut an, und der Senf begann bereits seine Stammkunden zu finden. Andreas Kolb hatte sich mittlerweile mit einem großen Freundeskreis umgeben. Das Frankfurter Lokalgetränk, der "Äppelwoi", schmeckte auch ihm sehr gut, und oft lief er mit seinen Stammtischfreunden bis weit in die Umgebung, um einen guten Tropfen zu genießen.
Bei seinen Überlegungen, welchen Artikel er in seinem Betrieb zur Fabrikation hinzunehmen könnte, kam ihm der Einfall: "Was geschieht mit dem Apfelwein, der im Laufe des Jahres nicht getrunken wird?" Denn die Fässer wurden immer wieder für den neuen Apfelwein gebraucht. Das Ergebnis dieser Überlegungen war die Aufnahme der Essigfabrikation bei der "Ersten Frankfurter Senf-Fabrik". Der hier hergestellte Essig war ein reines Qualitätserzeugnis, denn der Grundstoff war Branntwein mit Zusatz des überzähligen Apfelweins.
Es wurde zuerst nach dem Schützenbach-Verfahren gearbeitet. Wenn alkoholhaltige Flüssigkeiten mit viel Luft in Berührung kommen, fangen die Essigsäurebakterien, die überall im Raume vorhanden sind, sofort an, den Alkohol in Gärungsessig umzuwandeln. Dies nutzte man aus, indem man eine lange Reihe zylinderförmige Fässer mit Buchenholzspänen füllte (um so die Oberfläche zu vergrößern). Einige Löcher an der unteren Seite lieferten die nötige Luft, die durch die kaminartigen Fässer von unten nach oben durch die Späne strich. Bei Aufstellung neuer Essigbildner wurden die Späne mit Essigsäurebakterien angesäuert. Der Apfelwein oder die alkoholhaltige Flüssigkeit wurde nun langsam von oben aufgegossen, und nach dem Durchlaufen aller Bildner hatte man den aromatischen Essig.
Als Andreas Kolb im Jahre 1925 plötzlich starb, übernahmen seine drei Söhne Wilhelm, Eugen und Hans die Firma und zwar als OHG. Da die Firma nun drei Inhaber hatte, entstand die Schutzmarke "3 saure Burschen", die schnell populär wurde. Die Firma nahm dann noch die Fabrikation von Sauerkonserven auf. Doch das Aufstreben der Firma wurde durch den Bombenkrieg jäh unterbrochen, und von der alten Milchkuranstalt stand bei Kriegsende nichts mehr.
Die drei Brüder bauten im Jahre 1946/47 neu auf und modernisierten ihren Betrieb. Anstelle der alten Senfmühlen wurden neue, moderne Frings-Maschinen angeschafft, die weniger Platz beanspruchen und doch eine wesentlich größere Leistung haben.
Außerdem sind es mittlerweile mehrere verschiedene Sorten von Senf geworden, die hergestellt werden müssen, um jeder Geschmacksrichtung des Verbrauchers Rechnung zu tragen. Der Hauptlieferant für den Rohstoff "Senfkorn" ist das Ausland. Die gelbe Senfsaat "senapis alba" ist grobkörnig und hat nicht die Schärfe des wesentlich dunkleren, braunen Senfkorns "brassica nigra" aus Sizilien. Es ist daher für den Senfmüller nicht leicht, stets die gleiche Mischung und Würzung zu erhalten und eine stets gleiche Qualität zu erzeugen. In der Essigfabrik sind die vielen einzelnen Schützenbach-Bildner dem neuen Großraumbildner gewichen. So hat man jetzt riesige Bottiche, welche die Höhe eines kleinen Hauses erreichen können, mit Buchenholzspänen und Essigbakterien angefüllt. Der Weg des Einfüllens der Maische, wie der alkoholhaltige Aufguß genannt wird, bis zum Boden des Bildners ist aber so lang, daß der fertig vergorene Essig eine besonders gute Qualität besitzt.
Für andere Geschäftsunternehmen ist die saure Gurkenzeit gerade nicht günstig, wohl aber für eine Essigfabrik, denn um diese Zeit ist die Gurken-Einmachzeit. Da werden die Gurken in riesigen Mengen angeliefert, automatisch gewaschen, gestochen und auf langen Sortierbändern nach Größen aussortiert und in Gläser oder Dosen gepackt. Nach dem Sterilisieren warten dann die Konserven auf den Verkauf, der dann auch mit den Feiertagen, mit Silvester und der Faschingszeit auf Hochtouren läuft. Dann kommen die Lieferwagen nicht mehr zur Ruhe. Auf ihnen türmen sich dann die Erzeugnisse der "Ersten Frankfurter Senf- und Essigfabrik", die auf eine stolze "saure Tradition" zurückblicken kann.

DIE"WASSERHÄUS'CHER"

Trinkhallen sind kleine Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes, die den eiligen und von Durst geplagten Großstädter gewissermaßen im Vorübergehen mit einem erfrischenden, meist alkoholfreien Getränk versorgen, aber häufig auch noch Bier, Wein und Spirituosen, Tabakwaren und Süßwaren führen. In Frankfurt nennt man diese Einrichtung aber nur "Wasserhäus'cher".
Kam da ein biederer Frankfurter einmal zu einem solchen Wasserhäus'che und verlangte für 10 Pfennig Schnaps - es war natürlich zu jenen längst entschwundenen Zeiten, da man tatsächlich noch ein Gläschen Schnaps für 10 Pfennig erhielt. Als der Trinkhallenmann nach einem Glas suchte, meinte der Gast: "Gebbe Se nor die Flasch' her, mein Mund hält grad for'n Zehner!" Wie erstaunte aber der Wirt, als der Besucher die Flasche ansetzte und den ganzen Inhalt in sich hineinlaufen ließ - er hatte die Fähigkeit, trinken zu können ohne schlucken zu müssen. Ein zweites Mal soll der "Wasserhäus'chemann" das Zugeständnis, den Gast aus der Flasche trinken zu lassen, nicht mehr gemacht haben.
Die Firma Gebrüder Krome, die am 1. April 1899 in der Merianstraße 32 von Hermann und Heinrich Krome gegründet wurde und heute in der Mayfarthstraße 27 ansässig ist, verfügt nicht nur über eine größere Anzahl derartiger Trinkhallen im Stadtgebiet sondern betreibt auch eine Mineralwasserfabrik, in der Fruchtsaftgetränke, Essenzen-Limonaden und Cola-Getränke hergestellt werden.

HELLES LICHT UND GUTES WASSER FÜR DIE STADT

... Da das Brunnenwasser zur Versorgung nicht ausreichte, wurde erstmalig 1607 Quellwasser des Friedberger Feldes außerhalb der Stadt, anfänglich in bleiernen, später in eisernen Röhren durch das Friedberger Tor in die Stadt in sechs Sammelbrunnen geleitet, die weitere Hausbrunnen speisten. 1828 wurden die Brunnen durch ein 17 Kilometer langes Rohrnetz ersetzt, an das die Pumpbrunnen und Zapfventile der Häuser angeschlossen waren. Die Gefahr der Verunreinigung war damit auch wesentlich verringert. Der damalige Erbauer Hoffmann glaubte, das Problem der Wasserversorgung nun für Jahrhunderte gelöst zu haben. Als aber die Stadt in einem Tempo wuchs, wie kein Mensch es hatte vorhersehen können, sprach man bald echt frankfurterisch von den "Hoffmännische Droppe". Die Wassernot wurde immer bedrohlicher. Verschiedene Projekte wurden entweder verworfen oder brachten keine Lösung, bis dann 1865 ein Gremium von Frankfurter Bürgern, Ingenieuren und Chemikern den Vorschlag unterbreitete, die ausreichenden Quellen aus dem Vogelsberg und dem Spessart nach Frankfurt zu leiten. Eine Wasserleitung über 66 Kilometer war damals ein kühnes Unterfangen, aber man ließ sich von den großen Vorteilen überzeugen und baute die Leitung vom Vogelsberg und Spessart nach Frankfurt. Es entstanden weiter Hochbehälter und ein neues Rohrnetz, an das die meisten Häuser direkt angeschlossen waren. Die Güte des Wassers war hervorragend, so daß Frankfurt in bezug auf die Trinkwasserversorgung in die erste Reihe der deutschen Städte aufrückte.
Was so kühn erschienen war, hatte sich als sehr richtig erwiesen. 1876 war der Bau der Leitung ganz fertiggestellt, und seit dieser Zeit erhält die Stadt Frankfurt aus dem Vogelsberg und dem Spessart je nach den Niederschlagsverhältnissen täglich 8000 bis 18000 Kubikmeter bestes Trinkwasser. Aber Frankfurt wuchs unaufhörlich - die Einwohnerzahl hatte 100000 überschritten, neue Versorgungsmöglichkeiten mußten gefunden werden. Der damalige Stadtbaurat Lindley erschloß dann mit dem Grundwasserstrom unter dem Gebiet des Stadtwaldes ein hochwertiges Reservoir mit den Pumpwerken Oberforsthaus, Goldstein und Hinkelstein, das nach 1948 durch die Werke Schwanheim und Mönchhof noch erweitert wurde. 1902 kam Praunheim hinzu und 1909 Hattersheim, das im Laufe der Jahrzehnte zur weitaus größten Wassergewinnungsanlage Frankfurts ausgebaut wurde. Es lieferte 1954 fast ein Drittel des gesamten Wasserbedarfs der Stadt. Auch aus Oberhessen bekommt Frankfurt seit 1911 täglich 20000 bis 25000 Kubikmeter Wasser.
Es ist, wie schon erwähnt, gelungen, die Spitzenleistung auf täglich 190000 Kubikmeter zu erhöhen, 220000 sollen erreicht werden. Das aber würde bedeuten, daß bei einem Anwachsen der Bevölkerung auf 650000 Einwohner immer noch 300 Liter pro Tag und Kopf zur Verfügung stehen. Da auch dem Wachstum der Stadt Frankfurt Grenzen gezogen sind, dürfte für die nächste Zukunft die Versorgung mit bestem Grund- und Quellwasser gesichert sein.

VOM PFERDEWÄGELCHEN ZUM OBUS

Es begann eigentlich ganz friedlich. An einem schönen Sonntag - man schrieb den 19. Mai 1872 - rollte ein Wägelchen mit einem Pferd bespannt auf zierlichen Schienen vom Schönhof die Schloßstraße hinunter, überquerte den Marktplatz in Bockenheim, hinüber zur Amtsgasse und zur Frankfurter Straße nach der Bockenheimer Warte. Nur ganz alte Bockenheimer wissen, um welche Straße es sich hier handelt. Daß am vorangegangenen Tage anläßlich der Probefahrt das Wägelchen am Marktplatz (heute Kurfürstenplatz) in einer Kurve aus den Schienen gesprungen war, hatte man gelassen hingenommen. Weiter ging die Fahrt die Bockenheimer Landstraße entlang, am Opernplatz vorbei in die "Bockenemer Gaß'" hinein bis zum "Säuplätzi". Hier war die (vorläufige) Endhaltestelle. Frankfurt hatte von diesem Tage an seine "Pferdeeisenbahn".
Die sehr rührige Betriebsdirektion der Firma Donner und de la Hault - der Sitz der Gesellschaft war Brüssel - entwickelte einen erstaunlichen Weitblick. Jahr um Jahr vergrößerte und erweiterte sich der Betrieb. Die Trambahngesellschaft baute und baute. Das Geschäft ließ sich großartig an. Sechs Kreuzer kostete in den siebziger Jahren die Fahrt ohne Umsteigen, neun Kreuzer das "Correspondenzbillet". Der Bau des neuen "Zentralbahnhofs" brachte der Trambahn einen entscheidenden Aufschwung. "So ein Blödsinn", murrten die braven Bürger, "den Zentralbahnhof mitte in die Wildnis zu baue, ganz weit drauß, wo sich Fuchs und Has Gutenacht sage..." Bald führte der Schienenstrang der Trambahn zum neuen Hauptbahnhof, der am 28.8.1888 eröffnet wurde. Und als dann im Jahre 1898 die Stadt die Pferdebahn übernahm, verfügte diese über ein komplettes Gleisnetz von 30 km Länge, das in seiner wesentlichen Struktur auch heute noch besteht.
Unter städtischer Leitung wurde die Pferdebahn auf elektrischen Betrieb umgestellt, nach und nach, Strecke um Strecke. Am 10. April 1899 fuhr der erste elektrische Zug von Bornheim über den Sandweg, durch die Berger Straße, über die Obermainbrücke, durch Sachsenhausen, über die Untermainbrücke, Neue Mainzer Straße - Opernplatz - Reuterweg zum Palmengarten, bestaunt und umjubelt von der Bevölkerung. Auf der gleichen Strecke fuhren natürlich auch die Wagen der Pferdebahn, deren Pferde bei der Begegnung mit der "Elektrischen" scheuten, ..als ob sie wüßten, daß mit dieser Begegnung ihre Stunde geschlagen habe", wie eine Zeitung jener Tage berichtete. Gar bald hatte man sich an die "Elektrische" gewöhnt. Die rege Bautätigkeit an allen Ecken und Enden der Stadt zwang zur fortgesetzten Ausdehnung des Verkehrsnetzes. Über Nacht förmlich entstanden neue Straßenzuge, ja ganze Stadtviertel. Die Schienen folgten den neuen Ausfallstraßen, bis zur Rebstöcker Straße, unvorstellbar weit hinaus zu den Riederhöfen, bald bis in den Riederwald, wo die erste "Siedlung" entstanden war, die im Volksmunde den ansprechenden Namen "Das Negerdörfche" erhalten hatte. Zu den Nachbarorten "dribb der Bach" aber, nach Neu Isenburg, Niederrad und Schwanheim fuhr die "Waldbahn", ein wackeres Dampfbähnchen, das im Jahre 1908 ebenfalls "städtisch" und damit der Straßenbahn angegliedert wurde. Der Erste Weltkrieg kam und verging, ohne an der Straßenbahn merkliche Spuren zu hinterlassen. Unentwegt ging es aufwärts mit dem Betrieb. Nun reichte das Schienennetz schon bis an die äußersten Grenzen der Stadt. Und dann trat im Jahre 1925 etwas Neues hinzu: der Omnibusbetrieb. Als im Jahre 1928 die westlichen Vororte und Fechenheim eingemeindet wurden, vereinnahmte die Straßenbahn auch noch den Omnibusbetrieb der ehemaligen Stadt Höchst. Dessen Linien überschritten bereits die Stadtgrenzen, führten bis Okriftel und bis Schwalbach am Taunus.
Der fast ungestüme Aufschwung der Straßenbahn, die inzwischen (1927-29) auch die Waldbahn elektrifiziert hatte, fand ein jähes Ende durch den Zusammenbruch im Mai 1945. Aber aus den gewaltigen Trümmerhaufen entstand in zäher, verbissener Arbeit wiederum die Straßenbahn in altem Glanze, ja, fast noch schöner als sie je gewesen war. Bis hinein in die Wetterau greifen die städtischen Omnibuslinien und bis hinüber nach Kelsterbach. Im Jahre 1954 beförderte die Straßenbahn der Stadt Frankfurt a. M. knapp 186 Millionen Fahrgäste, ihre Wagen legten rund 42 Millionen Kilometer zurück. Am Neujahrstag 1955 ging auch der Betrieb der Frankfurter Lokalbahn A.G. Bad Homburg in das Eigentum der Stadt Frankfurt a. M. über. Damit erhielt die Straßenbahn der Stadt Frankfurt a. M. einen nicht, unbedeutenden Zuwachs, indem nunmehr die Linien 24 und 25 auf ihrer gesamten Strecke und weiterhin die bisher von der Lokalbahn betriebene Omnibuslinie Bad Homburg-Frankfurt der Straßenbahn zufielen. Das Verkehrsnetz umfaßt heute 298 Kilometer, hat sich also in den letzten 55 Jahren auf das Zehnfache ausgeweitet. Aus bescheidensten Anfängen heraus hat sich die Straßenbahn zum zweitgrößten Betrieb der Stadt Frankfurt mit über 4000 Mitarbeitern entwickelt.

DIE "LOKALBAHN"

..Die Schnelligkeit hat die Gemütlichkeit vertrieben", seufzte das vorige Jahrhundert, als es bemerkte, daß seinen farbigen Erinnerungen, den Pferdedroschken mit ihren strammen Kutschern in glanzroter Weste und steifgelacktem schwarzem Hut, die ebenso wie die mit Fracht und Weinseligkeit schwer beladenen Marktschiffe in die Geschichte eingingen, nun endgültig der Garaus gemacht werden sollte. Die Frankfurter sahen's nicht gerne.
Als die ersten Eisenbahnen sich ihrer gemächlichen Zeit näherten, erhoben viele ernsten Widerspruch. Manche Speditionshändler, weil sie fürchteten, nun werde der Güterverkehr ganz auf die Bahn abgeschoben, manche Kaufleute, weil sie dachten, Frankfurt werde als Zwischenhandelsplatz mehr als bisher ausgeschaltet werden. Selbst eine Anzahl von Bürgern erhob sich gegen die Attacke auf die Gemütlichkeit und schrieb es böse nieder, daß eine Bahn beispielsweise zwischen Frankfurt und Bad Homburg doch nur dazu da sein könne, Heidelbeeren schneller nach Frankfurt zu bringen oder eben jene müßigen jungen Leute schneller hinaus nach Homburg, die dort ihrer Spielleidenschaft frönen wollten.
Dessen ungeachtet legte sich um Frankfurt herum mit der Zeit ein eiserner Ring von Schienensträngen, sie recht fest zu halten in der Betriebsamkeit und Schnelligkeit der neuen Zeiten, und im Stadtgebiet selbst zog eine Pferdebahn, halb noch romantisches Requisit, halb der neuen Welt des Schienenstranges schon verfallen, alle Bürger mittlerweile auf die Bahn des robusteren Zeitalters. Ein Pferd genügte noch, auf achtzehn Sitzplätzen und einigen Stehplätzen auf der Plattform die Neuerungswilligen zu befördern, von einem Fahrer geleitet, der nur für sein Pferd Augen hatte, und von einem Schaffner in Zucht und Ordnung gehalten, der noch sehr wenig Auswahl an Umsteigeplätzen und günstigen Verkehrsmöglichkeiten zu bieten hatte. Die nächste Etappe des Verkehrs war der Dampfbahnzug. Von einer schmauchenden Lokomotive gezogen, die links und rechts mit Blech verkleidet war, war er schon ausgestattet mit drei bis vier Beiwagen, von denen jeder 30 Sitzplätze zu bieten hatte.
Zwischen Eschenheimer Tor und Eschersheim fuhr eine solche Dampfbahn in der Regie der Frankfurter Lokalbahn Aktiengesellschaft, die - heute mit Homburg und Oberursel fest verbunden - ihren Ursprung in der Stadt Frankfurt selbst hatte. Die Gebäude, die einstmals dazu dienten, die durch die Stadt donnernden Lokomotiven und Wagen - mit respektloser Freundlichkeit von den Frankfurtern "Knochenmühlen" genannt - zu beherbergen, stehen heute noch an der ehemaligen Endhaltestelle Eschersheim und werden jetzt von den Wagen der Städtischen Straßenbahn benutzt, die die langlebige Lokalbahn erst kürzlich übernommen hat.
Zu jener Zeit, die also auf der Trennungslinie zwischen Gemütlichkeit und Schnelligkeit lebte, zur Zeit der rauchenden Dampfmaschinen im Stadtbild, verkehrte auch zwischen Oberursel-Bahnhof und Hohemark eine ihrer Dampfkleinbahnen, die Personen wie Güter beförderte und in die Frankfurter Sonntagserinnerungen einging, ebenso wie Pferdedroschke und Marktschifferei. Dagegen war die Stadt Homburg, die Kurstadt, schon viel mehr auf dem Wege des Fortschritts. Hier sauste bereits eine elektrische Bahn vom damaligen Staatsbahnhof zur Saalburg, mit einer Abzweigung zum Gothischen Haus und nach Kirdorf. Nach 1905 grübelte die Lokalbahngesellschaft über ihrem Plan, ihre "Lokalbahn" in Frankfurt und ihre "Außenseiter" im Kurgebiet zu vereinigen und dabei auch die ganze Strecke zu elektrifizieren. Am 4. Mai 1910 fuhr die erste Bahn, elektrisch, vom Frankfurter Schauspielhaus ab, und auf ihren eisernen Spuren in staunenswerter Geschwindigkeit nach Homburg und Oberursel hinaus. Wer noch weiter ins Grüne wollte, den nahm in Homburg die Saalburgbahn auf und trug ihn bergan zum alten Römerkastell.
Bis 1914 hatte die Lokalbahn eine ruhige Zeit, dann kamen Krieg und Inflation. Erst 1924 normalisierte sich der Bahnverkehr wieder und lief reibungslos bis zum Zweiten Weltkrieg, der sie dann mit harten Beförderungslasten bedacht hat. Material und Personal fehlten ihr, doch ihre Fahrgäste stellte sie auch in diesen strapaziösen Zeiten zufrieden. In den letzten Kriegstagen rissen Sprengungen die bis dahin fast unbeschädigten Gleise auf, zwischen Ober- und Niedereschbach und bei Niederursel, die das stark verminderte Personal sofort auszubessern versuchte, so daß schon im Juli 1945 der Betrieb wiederaufgenommen werden konnte. 1946, als die Trümmer der Autobahnbrücke bei Niederursel weggeräumt waren, rollte auch der Personen- und Güterverkehr wieder auf der Strecke Hohemark-Oberursel-Heddernheim.
Ein konzentrierter Verkehr setzte nach der Kriegszeit ein. Die Höchstziffern, die bisher für die Beförderung auf dieser Strecke galten, verdoppelten sich. Eine Kraftomnibuslinie von Bad Homburg nach Frankfurt wurde notwendig und eingesetzt. In dem großen Umgestaltungsprozeß, den Frankfurt in seiner Innenstadt zugunsten der riesigen Verkehrswoge vornahm, wurden die Endhaltestellen der Linien 24 und 25 vorn Schauspielhaus zum Goetheplatz verlegt. Gleich zu Anfang des Jahres 1955 ist dann die Lokalbahn, die alte bewährte Linie, die mehr als ein halbes Jahrhundert durchfahren und Verbindung zwischen der Großstadt und ihren zwei lebendigen Trabanten vor der Stadtgrenze gehalten hat, in den Besitz der Stadt Frankfurt übergegangen und wird nun von ihr fortgeführt.

IM ZEICHEN DES AESKULAPSTABES

...1859 erhielt das Realrecht die Sandwegapotheke in der Schellingstraße 1; Inhaber ist seit 1951 Konrad Schmider. Die Alte Apotheke in Niederrad wurde 1873, die Goetheapotheke 1876 in der Sternstraße errichtet. Die Sternapotheke entstand 1876 am Marktplatz in Bockenheim; heute ist sie in der Kurfürstenstraße 9 installiert. Die Floraapotheke wurde 1882 von Dr. Lohmann in der Willemerstraße gegenüber dem Rochusspital gegründet. Besitzer ist heute Rudolf Ostwald. 1892 entstand die Apotheke am Eschenheimer Turm; Taubenstraße 4 war ihr erstes Domizil. Später war sie Jahrzehntelang in der Hochstraße 4...

VON DER "HEXENKÜCHE" ZUM PHARMAZEUTISCHEN GROSSBETRIEB

Goethe brauchte, wenn er einen edlen Tropfen trinken wollte, nicht weit zu gehen. Ganz in der Nähe seines Vaterhauses führten ein paar ausgetretene Sandsteinstufen hinunter ins "Bobbeschänkelche", einer echten Frankfurter Weinwirtschaft, wo der Dichter manch fröhlichen Zechkumpan fand. Kaufleute und Händler, Stadtschreiber und Barbiere gaben sich hier ein Stelldichein, und auch der Apotheker Karl Engelhard, der seinen Laden auf der anderen Straßenseite hatte, saß hier bei manchem Glas Wein in der Runde. Die alte "Rosenapotheke", die er seit 1831 führte und die die unteren Räume des Salzhauses einnahm, lag in unmittelbarer Nachbarschaft der goetheschen Geburtsstätte. In den Kellergewölben des Salzhauses aber hatte Engelhard seine Laboratorien eingerichtet, und unermüdlich waren er und seine Gesellen damit beschäftigt, neue Heilmittel auszuprobieren. Dann spähten neugierige Bürger und vorwitzige Kinder durch die Kellerfenster und versuchten, einen Blick zu erhaschen von den geheimnisvollen Pulvern in den Mörsern und den brodelnden Essenzen in den Retorten über dem Feuer. Aber es sollte nicht lange dauern, da wurde aus der bestaunten "Hexenküche" eine angesehene Fabrik.
Es war die Zeit der großen technischen und industriellen Entwicklung. Sie hatte ihren Ursprung in den bedeutenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen und Erkenntnissen des 19. Jahrhunderts und leitete schließlich den wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der folgenden Epoche ein. In den Reihen der Pioniere dieser Zeit war manch tüchtiger Apotheker zu finden, und weltbekannte Unternehmen, wie Merck, Schering, Riedel, Beiersdorf u. a. sind aus kleinen Apotheken hervorgegangen. Auch Karl Engelhard erkannte frühzeitig, wie wichtig es sei, wissenschaftliche Erkenntnisse industriell auszuwerten und begann 1872 in den Kellergewölben der "Rosenapotheke" mit der fabrikmäßigen Herstellung von Präparaten. Die Geräte und Werkzeuge waren zunächst noch, an den heutigen Präzisionsinstrumenten gemessen, primitiv, aber die Qualität der Erzeugnisse eroberte sich schon bald einen so guten Namen, daß die Produkte über Frankfurts, ja weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt wurden. Das junge Unternehmen konnte bereits nach wenigen Jahren einen recht bedeutenden Export nach einer Reihe, europäischer Länder verzeichnen. Selbst im fernen China erschlossen sich die, Engelhard'schen Präparate durch ihre Güte ein Absatzgebiet. Zugleich aber ging es darum, den in Deutschland bekannten ausländischen Erzeugnissen mit gleichwertigen Produkten entgegenzutreten. Das konnte jedoch nur geschehen wenn immer bessere Apparaturen, immer leistungsfähigere Maschinen geschaffen wurden. In Zusammenarbeit mit dem Handwerk entwickelte Karl Engelhard in Frankfurt bald die ersten pharrnazeutischen Spezialmaschinen, eine Idee, aus der später ein bedeutender Industriezweig hervorgehen sollte. Fast von Jahr zu Jahr kamen neue Produkte zu den bewährten Erzeugnissen hinzu. Aus fernen Ländern trafen Kisten, Säcke und Fässer mit fremdartig riechenden Kräutern, Hölzern und Ölen ein, die nach komplizierten Verfahren den Keller des Salzhauses als Pastillen, Pillen oder Tabletten, als Salben, Pasten oder Puder wieder verließen. Karl Engelhard, der schon bald erkannte, daß der Umfang der Herstellung den engen Rahmen des Apothekerhauses sprengte, konnte seine Pläne zur Gründung einer modernen Fabrikationsstätte schließlich 1892 verwirklichen. So wurde der Grundstein zur heutigen Fabrik - damals noch vor den Toren der Stadt, im Sandweg - gelegt und die Voraussetzung für die Weiterentwicklung zum pharmazeutischen Großbetrieb geschaffen.
Das Engelhard'sche Markenzeichen wurde bald zu einem Signum der verbürgten Qualität. Auf den großen Ausstellungen um die Jahrhundertwende holten sich die Präparate begehrte internationale Prämien: 1880 in Düsseldorf, 1881 in Frankfurt am Main, 1883 in Amsterdam, 1895 in Berlin und Königsberg, 1902 in Düsseldorf, 1905 in Lüttich. Unterdessen wurde das Unternehmen von den Söhnen des Gründers, Dr. Paul Engelhard und Dr. Max Engelhard, die während des Zweiten Weltkrieges verstarben, weiter ausgebaut. Sie verbanden ihre praktischen Erfahrungen mit den jeweils jüngsten Erkenntnissen der Zeit und führten die Firma durch alle Krisenzeiten hindurch. Neue Abteilungen wurden eingerichtet, die Ampullenfabrikation aufgenommen und die Werbung - besonders nach dem Eintritt der Enkel des Firmengründers, Dr. Max Engelhard jr. und Dr. Karl Engelhard nach modernen Gesichtspunkten ausgerichtet.
Viele Markenpräparate von Weltruf, die das Fabriktor verließen, gingen noch zurück auf die alten Herstellungsrezepte für die Hausspezialitäten der "Rosenapotheke". Dieses angesehene Stammhaus wurde in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges zusammen mit dem Goethehaus ein Raub der Flammen, und im Sandweg wurde fast die gesamte moderne Produktionsanlage vernichtet. So stand der aus eigener Kraft vorangetriebene Wiederaufbau unter dem Vorzeichen eines völlig neuen Beginnens. Aus der Selbsthilfe der Notzeiterwuchsnicht nur wieder ein Unternehmen, das an seinen alten Ruf anknüpfen konnte, sondern die Forschung holte auch schnell den Vorsprung des Auslandes ein und entwickelte neue Präparate, die bei Ärzten, Apothekern und Patienten bald zu einem Begriff wurden: das aus dem bewährten "Trachitol" entwickelte Mund- und Rachendesinficiens "Trachicillin" und das Keuchhustenmittel "Prospan", das bereits bei mehreren Epidemien seine Wirksamkeit und Güte beweisen konnte. Auch hier lieferte die Natur der modernen Pharmazeutik das Beispiel. Denn in Südfrankreich, wo der Efeu in großer Menge wächst und aus dessem Holz Trinkschalen hergestellt werden, hatte man beobachtet, daß Kinder, die aus solchen Schalen tranken, nicht an Keuchhusten erkrankten. Dieser Entdeckung folgten bald systematische Untersuchungen und lieferten der Wissenschaft die Grundlagen für die Herstellung dieses neuartigen Präparates. So bewegt sich die moderne Arzneimittelkunde bis heute in den Spuren des ursprünglichen Kraftspenders Natur.

FLAMMENMEER ÜBER DEM ÖLSEE

Als in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober 1943 der erste Großangriff auf das Osthafengebiet niederging und im Hagel der Spreng- und Brandbomben wie alle übrigen auch die Geschäftsgebäude der Schmier- und Treibstoffe A.G. Ferdinand Klein in der Schielestraße 15 in Flammen standen, zitterten alle Nachbarn in weitem Umkreis, ob wohl die unterirdischen Kessel von Klein standhalten würden. Denn jeder wußte, daß weit über 100000 Liter Öle und leicht brennbare Treibstoffe in diesen Kesseln lagerten. Immer noch hagelten die Brandbomben der nächsten Wellen der angreifenden Flugzeuggeschwader - längst brannten alle oberirdischen Kessel, längst waren die Geschäftsräume ausgebrannt, an Löschen war nicht zu denken. Es war ein wildes, tobendes Flammenmeer über einem gefahrvollen Ölsee. Jeden Augenblick konnten die unterirdischen Kessel in die Luft gehen. Aber sie hielten stand, wenn auch alles auf der Erde am nächsten Morgen bis zur Unkenntlichkeit vernichtet war. Auf diesem unterirdischen Bestand wurde die zerstörte Firma wiederaufgebaut. Die vernichteten Maschinen wurden allerdings nicht mehr ersetzt, man verzichtete auf die Herstellung von Spezialölen und Fetten und beschränkte sich auf den Handel mit Treib- und Schmierstoffen. Als Ferdinand Klein am 1. April 1880 also vor 75 Jahren - am Bornwiesenweg die Firma gründete, war die Fabrikation von Spezialölen ein nicht unwesentlicher Zweig des Unternehmens. Die gleichbleibende Qualität der Produkte brachte bedeutende Umsatz-Steigerungen, so daß Klein bald zu den größten und angesehensten Mineral- und Treibstoffhändlern in Frankfurt zählte. Nach Ferdinand Klein, der 1911 verstarb, übernahm der Prokurist der Firma, Otto Mössner, mit einem neuen Teilhaber, Hugo Besthorn, die Geschäftsführung. Mittlerweile waren die Räume am Bornwiesenweg zu klein geworden, und 1918 bezog man einen Neubau in der Schielestraße, der dann in jener Oktobernacht 1943 in Trümmer sank. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die bisherige A.G. in eine G.m.b.H. umgewandelt, zu deren Geschäftsführer die Herren Adam Schmitz und Hans Christoph bestellt wurden. Heute ist das Unternehmenwieder in bester Aufwärtsentwicklung. Über 250000 Liter Treibstoff lagern in 13 unter- und oberirdischen Kesseln. Es wurden viele Tankstellen für den Wiederverkauf und auch für große Betriebe und Behörden zu deren Eigenverbrauch gebaut; unter anderem auf eigenem Grundstück eine Großtankstelle in Aschaffenburg. Als neuen Zweig nahm man den Vertrieb von Heizöl für Ofenheizung auf. Die rasend schnelle Entwicklung der Technik mit ihrem wachsenden Brennstoffverbrauch sorgt für den stets steigenden Umsatz leistungsfähiger Treibstoff-Firmen. Die Firma Klein hat ihren guten Anteil daran.

DIE 10-PFENNIG-TUBE

An einem kalten Februartag anfangs des Jahrhunderts arbeiteten zwei Männer fieberhaft im Hinterhaus einer Bäckerei der Moselstraße - sie bemühten sich um eine Wurstabfüllmaschine. Aber nicht Wurst wurde aus dem aufmontierten, schmal zulaufenden Füllstutzen herausgepreßt, sondern Salbe für den Apothekerbedarf. Der eine der beiden Männer war Friedrich Merz, damals 23 Jahre und gerade dabei, in seinem neugegründeten Betrieb seine erste Idee durchzusetzen: die Lieferung von Salben - statt wie bisher in Tiegeln oder Dosen - in Tuben. Tuben waren zu dieser Zeit etwas ganz Neues, gerade von England herübergekommen - und 10-Pfennig-Tuben, mit jener Abfüllmaschine gefüllt, sollten das erste Geschäft seines Lebens werden.
Sie wurden es nicht. Der eine Pfennig Differenz, mit dem der junge "Fabrikant" für den Wiederverkäufer teurer war als der Dosenlieferant, ließ die Sache scheitern. Aber die Liebe zur Tube lohnte sich später doch noch.
Die Chemische Fabrik Merz & Co., heute durch ihre Pharmazeutika in der ganzen Welt bekannt, präsentiert sich knapp 50 Jahre später dem Besucher als ein Unternehmen, das mit der engen Atmosphäre jenes kleinen Einmannbetriebes nicht mehr vergleichbar ist.
Die Geschichte dieses Unternehmens ist die Geschichte eines Mannes. Eines Mannes, der, allen Wechselfällen unserer wirren Zeit zum Trotz, seinen Weg gegangen ist. Von jenem Anfang an, als er oft selbst die Kurbel der Abfüllmaschine drehte, wenn sein einziges Belegschaftsmitglied gerade zur Post gegangen war, bis zum Heute, wo zumindest noch die älteren seiner vielhundertköpfigen Mitarbeiterschaft nur von "unserm Vadder" sprechen, spannt es sich wie ein straffer und selbstverständlicher Bogen. Wenn der Ausdruck im patrizisch-reputierlichen Frankfurt gestattet ist: Dieser Friedrich Merz ist ein allround-Mann seiner Branche, Apotheker, Chemiker und Kaufmann in einer Person. Noch heute kann er nicht sagen, was er vorwiegend war in seinem langen Leben. Aber er weiß seine Quellen gut zu beurteilen: die zähe, nicht zu brechende Arbeitskraft und die planende Vorsicht werden ihm wohl seine Odenwälder Bauernahnen vererbt haben, während aus der mütterlichen Linie manches kaufmännische Talent bis auf ihn gekommen sein mag. Vielleicht war es diese Mischung aus Vorsicht und Wagemut, aus Zähigkeit und Ideenreichtum, die vom kleinsten Handbetrieb bis zur modernen pharmazeutischen Fabrik geführt hat ...
Nur ein Jahr blieb Friedrich Merz im Hinterhaus in der Moselstraße. Dann war bereits eine Vierzimmerwohnung mit Küche in der Weberstraße der rechte Rahmen für das aufsteigende, kleine Unternehmen, in dem nun auch die junge Frau des Besitzers im Büro mithalf, Es folgte Station um Station, bis das Haus schließlich in der Eckenheimer Landstraße seinen wohl endgültigen Stammsitz fand.
Der Odenwälder Bauernsohn hatte in Oberhessen die Apothekerlehre absolviert. Dann waren Auslandsjahre in der französischen Schweiz und in Lothringen gekommen Auslandsverbindungen, die die Grundlagen des Arzneiexportgeschäftes der späteren Jahre schufen. Das Studium folgte, und dann war es soweit: Friedrich Merz schenkte seinen Anteil am väterlichen Bauernhof seinen jüngeren Brüdern, kaufte sich die berühmte Wurstabfüllmaschine und was dazu gehörte und begann, mit gutem Wissen und frischem Unternehmergeist ausgestattet und mit der Einlage seines ehemaligen lothringischen Chefs versehen, seine Arbeit als "Fabrikant". Seine Jugenderfahrungen und die Luft des weltweiten Frankfurter Wirtschaftslebens ließen ihn, der bald zum Alleininhaber des aufblühenden Unternehmens geworden war, nicht ruhen. Mit der Gründung von Auslandsfilialen in der Schweiz, in Österreich, später in den USA und in England spannte er ein weites Netz, das die Spezialitäten seines Hauses vertrieb. Zwei Apotheken im heimischen Odenwald, ein Zweigbetrieb in Reinheim, Tochtergesellschaften und Beteiligungen sind Zeugen seines rastlosen Unternehmungsdranges.
Eine Reihe eigener Patente beweisen, daß das Tun dieses Mannes sich nicht im äußerlichen "etwas unternehmen" erschöpfte. Die wichtigsten beziehen sich auf die Salbengrundlage Serol, eine wasserlösliche Milchserumsalbe, die neue Wege in der Salbentherapie erschloß. Selbst der Mann auf der Straße kennt vom "Jodomus" bis zu "Placentubex", von Bionellen und Merzellen bis zu manchem Dental-Präparat eine Fülle der Produkte des Hauses Merz.
Die beiden Töchter schlugen nicht aus der Art und erbten wohl manches vom väterlichen Unternehmungsgeist. Die eine besuchte die Städelschule und überwacht Drucksachen, Packungen und Inserate mit künstlerischem Blick, die andere ging schon frühzeitig ins Ausland, und manches Mal werden in ihrem Heim mit großen Auslandskunden bei englischer und französischer Konversation (an der sich nun schon die Merz-Enkel beteiligen) Exportverbindungen gepflegt, wieder aufgefrischt oder neu angeknüpft. Vor einigen Jahren wurden die Töchter auch offiziell Teilhaber, und wenn auch Friedrich Merz die Zügel noch fest und unermüdlich in den Händen hat, so weiß er doch, daß das alte, aber keineswegs überalterte Werk bei seinen Töchtern und Schwiegersöhnen in guten Händen ist auch wenn die Sache mit der 10-Pfennig-Tube damals nicht geklappt hat ...

AUS EINER LANDMASCHINENHANDLUNG ENTSTANDEN

Die 1872 im Baumweg 4 gegründete Landmaschinenhandlung und Reparaturwerkstatt Ph. Mayfarth & Co. entwickelte sich zu einer Landmaschinenfabrik, die 1903 in Fechenheim moderne Produktionsgebäude zur Herstellung von landwirtschaftlichen Maschinen und hydraulichen Pressen errichtete. Der Erste Weltkrieg brachte schwere Verluste. 1938 wurden alle Werkstätten einschließlich der Gießerei von der Maschinenfabrik vorm. Ph. Mayfarth & Co. G.m.b.H. erworben, nachdem im gleichen Jahre die Geschäftsanteile von der Frankfurter Maschinenbau A.G. vorm. Pokorny & Wittekind übernommen worden waren. Die Produktion wurde auf Kriegsgerät umgestellt. In den Jahren 1943-45 wurden zwei Fabrikationsgebäude und Lagerhallen vernichtet. In der noch erhaltenen Gießerei hat die Maschinenfabrik vorm. Ph. Mayfarth & Co. G.m.b.H., Frankfurt-Fechenheim, als selbständiger Zweig der Maschinenbau A.G. vorm. Pokorny & Wittekind nach dem Zweiten Weltkrieg die Produktion wieder aufnehmen können. An namhafte Unternehmen wird Guß geliefert, besonders Motoren- und Kompressorguß, Zylinder, Zylinderköpfe, Kurbelgehäuse, Kolben für Dieselmotoren und Kompressoren. Die Maschinenfabrik hat neben der Gießerei wieder ein neues Fabrikationsprogramm entwickelt, aus dem Buchdruckschnellpressen und Lokomotiv-Speisewasserpumpen für die Bundesbahn zu nennen sind.

ARBEIT AN DER LETTER

Das Wirken des Schriftgießers vollzieht sich seit Gutenbergs Zeiten ganz in der Stille, während das Druckwerk, zu dessen Herstellung er erst die Voraussetzung schafft, nach Mithilfe von Setzer und Drucker seit fünf Jahrhunderten zum Menschen spricht und heute täglich auf ihn einwirkt. Seit Gutenberg um 1440 die ersten bleiernen Lettern aus den von ihm gefertigten Matrizen goß, lebt in dem Schriftgießergewerbe eine Tradition, die bald eng mit Frankfurt verknüpft wurde, gab es doch hier 1572 die erste selbständig arbeitende Schriftgießerei der Welt. Von Generation zu Generation, von geschickten Meistern an eine kleine Zahl begeisterter und ehrgeiziger Schüler weitergegeben, vererbte sich die Kunst des Stempelschnitts, der Matrizenfertigung und des Schriftgusses, im ersten Jahrhundert nach der Erfindung noch handwerks-, dann gewerbemäßig ausgeübt und heute in technisch hochentwickelter Form in Schriftgießereien fabrikmäßig betrieben. Dabei verdient herausgestellt zu werden, daß die Letter des Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, ja auch das erste Massenprodukt technischer Art darstellt, wurde sie doch von Anbeginn aus einem Forminstrument in zahllosen gleichen Einzelteilen mit einer für die damalige Zeit geradezu unglaublichen Maßgenauigkeit hergestellt, nach dem Prinzip absoluter Zweckmäßigkeit geformt und in Serien gefertigt.
"Tradition, Kunst und Präzision" könnte auch als Leitspruch über der Schriftgießerei Ludwig & Mayer, Hanauer Landstraße 187/189, stehen. Als Jean Noel Carl Ludwig am 2-6. Juli 1843 als Sohn des Prokuristen Louis Ludwig im Hause Braunfels geboren wurde, das das Stammhaus der Patrizierfamilie gleichen Namens, die Herberge vieler deutscher Kaiser und König Gustav Adolfs von Schweden, seit 1695 Sitz der Uralten und Uredlen Ganerbschaft Frauenstein gewesen war und bis 1840 in seinem Hof die Frankfurter Börse beherbergt hatte, schien eigentlich sein kaufmännischer Lebensweg schon klar vorgezeichnet zu sein. Aber nach der Lehrzeit in der Eisenhandlung Passavant, seiner Handlungsgehilfenprüfung und zehn Jahren Tätigkeit als Buchhalter bei Ferdinand Flinsch - Papierfabrik, Papierlager und Schriftgießerei gründete der Kaufmann am 23. Dezember 1875 die Schriftgießerei C. J. Ludwig, setzte sich bald mit seinen qualitativ hervorragenden Lettern durch und wurde in Fachkreisen schnell dadurch bekannt, daß er sich besonders für die Technik seines Unternehmens interessierte und sogar beim Maschinenbauer Hofer in Berlin eine Graviermaschine bedienen lernte, die nach seinen Verbesserungsvorschlägen gebaut worden war. Mit Hilfe seines Graveurs Mandel bohrte Ludwig heimlich in einer kleinen Dachkammer seiner Fabrik in der Eckenheimer Landstraße mit der Maschine die ersten Matrizen und wartete nach einigen Rückschlägen schließlich als erste Schriftgießerei mit gebohrten Schriften auf, wie sie nach und nach von den gleichartigen Firmen in der ganzen Welt übernommen wurden.
Die 80jährige Firmengeschichte über die ersten Anfänge hinaus zur anschließenden steilen Aufwärtsentwicklung zu verfolgen, die technischen Leistungen und die zahlreichen epochemachenden künstlerischen Schriftschnitte zu würdigen, von der völligen Betriebszerstörung im Jahre 1944 und dem anschließenden harten, aber erfolggekrönten Wiederaufbau zu berichten, fehlt hier der Raum. Das Jahr 1955 jedenfalls sieht Ludwig & Mayer wieder mit an der Spitze der deutschen Schriftgießereien, bekannt durch ein Lieferprogramm schönster Schriften, die das typographische Bild des In- und Auslandes maßgeblich mitbestimmen. Aus diesem Reichtum moderner Typen zeigt die Zusammenstellung auf Seite 368 einen kleinen Ausschnitt, der Zeugnis ablegen soll vom Leistungswillen des Hauses Ludwig & Mayer, der auch zukünftig Leitstern aller Arbeit an der Letter bleiben wird.

DER LEHRHERR VON FRITZ SOENNECKEN

Der Sturm der Gründerjahre, angeregt durch die fünf Milliarden Francs der französischen Kriegsentschädigung 1871, hatte zunächst in Deutschland einige Jahre der Hochkonjunktur gebracht. Ende der 70er Jahre schlug das Pendel aber nach der anderen Seite aus, und auch in Frankfurt verschwand um diese Zeit eine Reihe alter und neuer Firmen von der Bildfläche. Dessen ungeachtet gründete 1883 ein angesehener westfälischer Fabrikant in der Brönnerstraße ein Fabriklager für Zubehör von Sattlererzeugnissen und Reiseartikeln. Heinrich Sudhaus war allerdings damals in der Wirtschaft schon kein Unbekannter mehr, hatte sich doch seine 1844 in Iserlohn gegründete Metallwarenfabrik für Beschläge innerhalb kürzester Zeit zu einer der führenden auf dem Kontinent entwickelt, eine Stellung, die sie trotz zweier Weltkriege auch heute noch auf dem Gebiet von Zubehör für Reiseartikel und Lederwaren - als da sind Koffer- und Mappenschlösser, Griffe, Koffer-Ecken und Scharniere, Kleiderbügel und Aufhängevorrichtungen für Kleiderkoffer und AutoReisesäcke, Bügel für Spezialtaschen, Umlaufriemenschnallen für Koffer und Aktentaschen und schließlich die dazu erforderlichen Nieten und Stifte - innehat. Aber zurück zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Damals war der Koffer noch nicht ein Gegenstand des Alltagsbedarfs für den Durchschnittsmenschen. Zu jener Zeit und auch 1883 noch, als das Auslieferungslager seine Pforten öffnete, standen Sattlerbedarfsartikel im Vordergrund. Aber schon deutete sich beim Handwerk eine Umstellung an. Der Sattler, dessen "Kunde" Pferd in der Eisenbahn und nach der Jahrhundertwende dann auch im Auto eine übermächtige Konkurrenz erhielt, wurde gleichzeitig Polsterer. Was lag für ihn also näher, als sein Polstermaterial auch bei Heinrich Sudhaus zu beziehen? Und wie der Gründer dieser Firma der Entwicklung seiner Zeit Rechnung trug, so paßten sich sein Enkel und Urenkel, die heutigen Inhaber der Firma Heinrich Sudhaus Söhne GmbH, den veränderten Marktbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg an. In der Leimenrode 29, wo die in der Kirchnerstraße am 22. März 1944 total ausgebombte Firma neu aufgebaut wurde, stehen heute Holz- und Metallwaren für Innendekorationen mit an erster Stelle des Verkaufsprogramms, angesichts der umfangreichen Bautätigkeit in Frankfurt kein Wunder. Als Lieferant vieler Zubehörteile für die Innendekoration, so Stangen, Schienen, Galerieleisten usw. für Gardinen- und Vorhanggarnituren, dann Sonnenrouleaus und jalousetten, Treppenstangen und Teppichschienen und vieles andere mehr, hat sich die Firma zu einem Unternehmen entwickelt, dessen Namen in Fachkreisen, auch weit über die Stadtgrenzen hinweg, besten Klang hat.
Aber Heinrich Sudhaus, dieser an der Spitze der ehrenwerten Honoratioren der sauerländischen Kreisstadt Iserlohn stehende Fabrikant, hat auch noch auf einem anderen Gebiet maßgeblich in die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. eingegriffen. Er war es, der die Talente eines Dreizehnjährigen erkannte, dessen spätere Erfindungen - die Rundschriftfeder und der Briefordner - noch heute den Namen "Soennecken" in alle Welt hinaustragen. Erst wollte Sudhaus den intelligenten Schmiedemeistersohn Fritz Soennecken Pastor werden lassen, doch nach Vater Soenneckens Tod nahm er 1864 den Sechzehnjährigen in seine Fabrik auf und gab hier bald den Anlaß zur ersten Erfindung des Lehrlings durch eine Ohrfeige. Fritz sollte nämlich eines Tages mit seiner sauberen Schrift erstmals die Köpfe in dem großen Hauptbuch schreiben. Als der Prinzipal nun hinzutrat und ihm gerade ein Lob spenden wollte, riß der eifrige Lehrling mit der zu tief eingetauchten Feder das Tintenfaß um, so daß sich ein schwarzer Strom über das kostbare Hauptbuch und die schön gemalten Köpfe ergoß. Anstatt des Lobs gab es eine knallende Ohrfeige. Für Fritz Soennecken war diese der Anlaß zu seiner ersten Erfindung, denn schon einige Tage später stellte er zum Erstaunen aller auf seinem Platz einen derben Holzklotz mit einem Loch fürs Tintenfaß und einer Rille für die Federhalter auf der später ein bedeutender Exportartikel seiner Firma werden sollte.
Aber nicht nur als Praktiker unterstrich der Lehrling Soennecken sein Können, sondern auch als Kaufmann. Eines Tages ließ ihn Sudhaus ein Schreiben einer Pariser Firma, die um eine Musterkollektion Silberbeschläge für Pferdegeschirre zum Export nach Übersee bat, nach eigenem Ermessen beantworten. Der junge Soennecken lehnte kurz heraus die Übersendung einer Musterkollektion ab, erklärte aber, die Firma Sudhaus sei bereit, die Auswahl direkt an den Kunden in Übersee zu schicken. "Auf diese Weise bleiben unsere schönen Muster geschützt und können nicht von der Pariser Konkurrenz nachgeahmt werden", sagte er dem etwas skeptischen Chef und behielt recht, denn anstelle der erwarteten Absage traf kurze Zeit später eine Bestellung in Höhe von 4000 Talern ein.
So bewies Heinrich Sudhaus in der Förderung des jungen Soennecken, mit dem ihn im Alter, als der Name "Soennecken" bereits Weltgeltung besaß, noch dieselbe herzliche Freundschaft verband, ebensoviel Fingerspitzengefühl wie mit der Wahl Frankfurts zum Ort seines Auslieferungslagers, das heute mit seinen 20 Beschäftigten an Größe zwar keinen Vergleich zu dem Stammwerk mit 300 Arbeitern aushält, für die Fachkreise im süddeutschen Raum aber ein Begriff ist.

DIE SCHWARZEN DIAMANTEN

... Im Jahre 1955 begeht die angesehene Kohlengroßhandlung Kitz in Frankfurt am Main ihr 75 jähriges Bestehen; sie feierte es, nachdem die durch den letzten Krieg entstandenen Kriegsschäden in dem großen und modernen Lager im Osthafen wieder beseitigt waren und an der Stelle des durch Bombeneinwirkung zerstörten Bürohauses in der Eschersheimer Landstraße 8 ein großzügiges und äußerst zweckmäßiges Bürohaus erstellt wurde.
Diese Firma wurde von dem Kaufmann Ph. Kitz im Jahre 1880 zu der Zeit gegründet, als die Mainregulierung geplant und teilweise begonnen war und somit für eine gute und schnelle Belieferung alle Voraussetzungen geschaffen waren. Erst 52 Jahre alt, im Jahre 1909, verstarb der Gründer mitten in seinem Aufbauwerk, und seine Witwe führte mit Unterstützung ihres Neffen, Ludwig Kohlermann, das Unternehmen erfolgreich weiter. Er ist heute Seniorchef und persönlich haftender Gesellschafter und hat die Linie des Geschäftes entscheidend beeinflußt. Eine absolut zuverlässige und reelle Bedienung haben dazu beigetragen, dem Unternehmen die heutige Bedeutung zu geben.
Daß die vergangenen Jahre nicht einfach waren, zeigt besonders die Leistung bei der Beseitigung der Kriegsschäden. Außer dem schönen, im Jahre 1840 im klassizistischen Stil erbauten ehemaligen Gesandtschaftshaus, das als Bürogebäude diente, wurden auch die Lagereinrichtungen und der Fuhrpark mit 32 Fahrzeugen aller Art zerstört. Heute befinden sich die Büroräume in einem neuen eigenen Haus, und im Osthafen stehen ein 10000 qm großer Lagerplatz mit Gleis- und Schiffahrtsanschluß sowie neuzeitlich eingerichteten Sieb- und Verladeanlagen und ein moderner Autopark zur Verfügung.
Firmenrechtlich sind als bedeutungsvolle Daten zu vermerken: Beteiligung einer namhaften Zechenhandelsgesellschaft an der Firma Kitz 1920, weiterhin die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft im Jahre 1936.

"SOZIALER WOHNUNGSBAU" SEIT DER JAHRHUNDERTWENDE

Die Stadtverwaltung Frankfurt am Main gibt ein Mitteilungsblatt heraus, in dem Verordnungen, Statistiken und Veranstaltungen angezeigt werden. Eine Rubrik interessiert besonders; sie ist überschrieben: Eingereichte Bauvorhaben. Man weiß dann schon vorher, wie die eine oder andere Straße aussehen wird, wo sich auf den letzten Trümmern neue Gebäude erheben werden. Immer wieder fällt als Bauherr die "Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen" ins Auge. Seit über sechs Jahrzehnten arbeitet diese Gesellschaft an der baulichen Gestaltung der Stadt. Würde man einen Plan Frankfurts zur Hand nehmen, die Bauten der Gesellschaft einzeichnen und mit einer Jahresziffer versehen, so könnte man an Hand dieses Bildes genau das Wachsen Frankfurts verfolgen.
Seit ihrer Gründung hat sich die Gesellschaft in den Dienst des sozialen Wohnungsbaues gestellt. Ihr Eintritt in das Bauleben Frankfurts fällt in jene Zeit, in der ein neuer Stand sein Recht verlangt: der Arbeiter. Nur wenige Firmen hatten zu jener Zeit ein so starkes soziales Verantwortungsgefühl, daß sie sich auch um die Lebensmöglichkeiten und den Lebensstandard ihrer Arbeiter kümmerten. Statistiken dieser Jahre weisen eindeutig aus, daß die Arbeiter zusammengepfercht in kaum menschenwürdigen Behausungen lebten. Es ging also darum, diesen Menschen billige und doch zweckmäßige Wohnungen zu schaffen. Einen hohen Posten in der Baukalkulation nimmt immer der Geländepreis ein, und so war es nur zu verständlich, daß sich die Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen ihr Baugelände immer an der Peripherie der Stadt suchte, dort also, wo der Baugrund noch billig war.
Als 1889 zum ersten Male ein Komitee zusammentrat, um eine neue Baugesellschaft ins Leben zu rufen, da waren es Männer, deren Namen mit der Geschichte Frankfurts eng verbunden und noch heute allen Frankfurter Bürgern geläufig sind. Es waren Johannes von Miquel, Karl Flesch, Charles L. Hallgarten, Georg Speyer und Konsul Becker. Das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 605000.- Mark wurde restlos von Frankfurter Bürgern aufgebracht. Heute sind fast alle Aktien in den Händen der Stadt, und doch zeugen noch vereinzelte Aktien in den Händen der Nachfolger der damaligen Gründer von dem Opfersinn der Frankfurter Bürger.
Nimmt man heute die Baupläne der ersten Bauten zur Hand, dann erkennt man bald, von welchen Grundsätzen, und zwar Grundsätzen, die der Allgemeinheit dienten, die Gesellschaft ausgegangen ist. Die Mieten lagen so niedrig, daß sie wirklich für jedermann erschwinglich waren. Die Wohnungen waren in ihrem Grundriß so glänzend raumausnutzend angelegt, daß man hier das oft verwässert gebrauchte Wort "richtungweisend" ohne Bedenken anwenden kann. Natürlich entsprechen der Burgblock oder die Häusergruppe in der Hufnagelstraße oder die Gesellschaftsbauten an der Friedberger Landstraße/Münzenberger Straße und die Mehrfamilienhäuser an der Eckenheimer Landstraße nicht mehr den heute gestellten Anforderungen. Aber sie waren damals der sichtbare Ausdruck einer fortschrittlichen Gesinnung, ebenso wie die Vereinshäuser mit Bibliotheken, Festsaal, Kindergarten und Kinderkrippe zur Jahrhundertwende eine höchst moderne Einrichtung waren.
Am 23. Februar 1922. gab es eine folgenschwere Aufsichtsratssitzung. 90% des Kapitals wurden der Stadt überlassen, die damit zur gesellschaftsbeherrschenden Großaktionärin wurde. Am 5. Februar 1923 trat die Stadt offen als Hauptaktionärin in Aktion, und wenige Jahre später gesellte sich die aus der Mietheim A.G. hervorgegangene Gartenstadt-Gesellschaft als zweites städtisches Wohnungsunternehmen zunächst in Personalunion, seit 1942 mit ihr verschmolzen, hinzu.
Nach dem Abschluß der Inflation begann wieder eine Epoche erneuter großer Bautätigkeit. Nach neuen Plänen wurde der Baublock an der Wallauer Straße gestaltet. Bahnbrechend und noch heute sehr ansehnlich stellten sich die Bauten in der Wormser Straße, des Ringelblocks, der Burnitzstraße und der Eberhardstraße vor. Erstmals errichtete die Gesellschaft auch Bauten in der inneren Bauzone der Stadt, verließ also ihre bis dahin geübte Praxis der Stadtrandsiedlungen.
1926 erwarb die Gesellschaft das Geschäftsgebäude der Dr. C. Schleussner-A.-G. in der Elbestraße 48. Nach einem Erweiterungs- und Umbau zog die Gesellschaft vorn Römerberg und der Neuen Mainzer Straße in die Elbestraße um.
Die im gleichen Jahre laufenden Bauprojekte Bruchfeldstraße und Pestalozziplatz sollten den Massenbedarf an Kleinwohnungen decken, während die ebenfalls in Angriff genommenen Projekte am Höhenblick und in der Römerstadt dem Einfamilienhaus den Vorrang geben sollten: Diese Bauvorhaben waren ein Markstein in der baulichen Entwicklung Frankfurts. Ernst May wandte sich bewußt von der traditionellen Bauweise ab und entwickelte in Anlehnung an ausländische Vorbilder einen neuen Baustil in glatten, kubischen Formen von größter Schlichtheit und zweckmäßigster Raumausnutzung im Innern. Die im Volksmund als"May-Bauten" bezeichneten Projekte begegneten nicht dem Verständnis, das man hätte erwarten können. "Zickzackhausen", "Gipsdielhausen" und "Neu-Marokko" hießen die herabsetzenden Bezeichnungen für diese Blocks. Heute ist dieser Baustil zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Auch in diesen Bauten wurde das System der großen Garten- und Spielhöfe, das kennzeichnend ist für fast alle Bauten dieser Gesellschaft, beibehalten.
Die Römerstadt war ein Großprojekt von besonderem Reiz. Ihre Gesamtherstellungskosten beliefen sich auf mehr als 20 Millionen Reichsmark. Der Bebauungsplan stammt von Ernst May und Herbert Boehm, die hier in genialer Weise eine Großsiedlung dem Gelände anpaßten, die den anspruchsvollsten Vergleichen auch über die Grenzen Frankfurts hinaus standhalten dürfte.
Der leicht bogenförmige Verlauf der Straßen schafft Häuserfronten, deren konvexe Seiten der Sonne zugekehrt sind. Mit dieser Bauweise wurde erreicht, daß mehr Häuser der Besonnung ausgesetzt sind, als dies bei einem gradlinigen Straßenverlauf der Fall wäre. Die gärtnerische Anlage wurde so vorzüglich gelöst, daß die Römerstadt einen eindeutigen Gartenstadtcharakter erhielt. Die Anordnung der Räume ist so gewählt worden, daß sie fast ausschließlich der Sonnenseite zugekehrt sind und nur Küche und Treppenhaus in die Nordrichtung weisen. Hier wurde auch zum ersten Male die Vollelektrifizierung vorexerziert.
Es ist fast unmöglich, alle Bauprojekte der Aktienbaugesellschaft zu erwähnen. Bedeutende Anlagen waren noch die Siedlung am Bornheimer Hang, die Neubauten an der Fahrgasse und dem Hainerhof und schließlich die vollkommene Gestaltung der Riederwaldsiedlung und der Siedlung Westhausen, die Siedlung Miquelallee, der Nonnenpfad und die Bauten an der Eschersheimer Landstraße bis zum Großprojekt der Friedrich-Ebert-Siedlung.
Natürlich ging auch der Zweite Weltkrieg nicht spurlos an den großflächig angelegten Bauten dieser Gesellschaft vorüber. Bei Kriegsende zeigte die Bilanz, daß von dem Gesamtbesitz, der im Frühjahr 1945 die imponierende Zahl von über 11000 Wohnungen aufwies, fast 2000 Wohnungen total zerstört und 3500 Wohnungen teilbeschädigt waren.
Noch bevor die Währungsreform das Wirtschaftsleben wieder langsam in Gang brachte, begann die Gesellschaft mit der Wiederinstandsetzung ihrer Wohnbauten. Sie ist auf dem Gebiet des Wohnungsbaues zum verlängerten Arm der Stadtverwaltung geworden und hat ihre großen Aufgaben vorbildlich, richtungweisend und oft genug wagemutig gelöst.

KLEIDER MACHEN LEUTE ...

... das dachten auch die Herren John Brückner und Andreas Meister, als sie 1880 im Holzgraben ihr Stofflager und ihre Maßschneiderei für Herren zusammenlegten. Als die Firma Brückner & Meister dann im Jahre 18 94 ins eigene Geschäftshaus in der Friedensstraße 10 umzog, da hatte es sich in Frankfurt herumgesprochen, daß diese Leute Kleider machen konnten. Gesellschaftskleidung vor allem, kommerzienrätliche Cutaways, graue Gehröcke für die Rennen in Niederrad und vollendete Fräcke, die auf den Festen im Palmengarten und im Saalbau Furore machten. Sie beherrschten die Kunst, das Embonpoint der mittleren und späten männlichen Jahrgänge in attraktive Konturen zu verwandeln, ein Vorgang von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vor ihrem Schneider sind alle Männer Könige in Unterhosen. Erst der vollendete Sitz ihres Anzugs gibt ihnen die Würde des Souveräns zurück.
..Die Tatsache, daß ich es in meinem Leben zu etwas gebracht habe, verdanke ich nicht zuletzt dem Umstand, daß meine Anzüge immer etwas teurer waren, als es meine Verhältnisse eigentlich gestatteten. Sie machten mich kreditwürdiger, hielten länger, verloren nie ihren guten Sitz und ersparten dadurch Neuanschaffungen." Diesen Ausspruch eines bedeutenden Finanzmannes beherzigten viele und vertrauten sich Meister Seidel, dem heutigen Inhaber von Brückner & Meister an.
Er trat 1936 als Zuschneider in die Firma ein, die inzwischen von den Söhnen der Gründer übernommen war. Aus Dresden stammend, hatte er bei seinem Vater gelernt und die praktischen Jahre als Volontär, Gehilfe und Zuschneider in westdeutschen Großstädten absolviert. Er brachte eine Vorliebe für rationelles Arbeiten mit und verstand es, Damenmäntel und Kostüme anzufertigen, die mit der männlichen Eleganz, die bei B. & M. produziert wurde, in Wettbewerb traten. Der Betrieb beschäftigte damals zwei Zuschneider, 28 Schneider und drei kaufmännische Angestellte. Robert Seidel wurde 1940 eingezogen. Im März 1944, genau 50 Jahre nach Erstellung, ging das Haus Friedensstraße 10 unter Bomben verloren. Auch das Ausweichlager wurde zum Trümmerhaufen und der Betrieb kurzerhand in den Taunus verlegt. Nach dem Krieg brachte Herr Brückner das Unternehmen in seiner Privatwohnung in der Blumenstraße unter. Aber auch diese Lösung konnte nur vorübergehend und behelfsmäßig sein. Nach zehn Jahren aus Krieg und Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, trat Robert Seidel 1950 als Teilhaber ein und übernahm 1952 die Firma als alleiniger Inhaber. Die Geschäftsräume in der Bockenheimer Anlage 35 vereinen die Atmosphäre des Eleganten, des Privaten und des Fachlichen in glücklicher Weise. Hier verblaßt die Erinnerung an die unvorstellbar primitive Werkstatt Robert Seidels in russischer Kriegsgefangenschaft, die er mit zehn Gehilfen unterhielt. Aber trotz handgetriebener Nähmaschinen und selbstgefeilter Nadeln bewährte sich dort wie hier die Kunst, die allein vom Können kommt.

Weitere Firmengründungen zwischen 1875 und 1905 (Tabelle)

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